"Mich empört das öffentliche Klima: zu meinen, dass Plagiate Bagatellen sind."

Veröffentlicht von am 28.02.2011, 11:03 | 1 Kommentar

Die Einleitung der Dissertation von Verteidigungsminister zu Guttenberg stammt aus einem F.A.Z.-Artikel der Passauer Politikwissenschaftlerin Prof. Barbara Zehnpfennig. Nachdem die Zeitung über den Fall groß berichtet hatte, baten zahlreiche Medien um eine Reaktion. Im Interview mit Steffen Becker spricht Prof. Zehnpfennig über Ihre Erfahrungen mit den Medien.

Wie haben Sie von dem FAZ-Bericht erfahren, dass Verteidigungsminister zu Guttenberg die Einleitung seiner Dissertation aus einem Artikel von Ihnen abgeschrieben hat?

Prof. Zehnpfennig: Erst durch die Medien. Ein österreichischer Fernsehsender hatte meinen Mitarbeiter angerufen, den Hintergrund berichtet und darum gebeten, mit mir dazu ein Interview machen zu können.

Wie haben Sie den folgenden Medienrummel erlebt?

Es war eine interessante Erfahrung. Insgesamt waren sieben Fernsehsender da, ca. 15 Radiosender, sehr viele regionale und überregionale Tageszeitungen und mehrere Nachrichtenagenturen. Ich habe schnell gemerkt, dass die Journalisten vor allem Emotionen von mir haben wollten. Die habe ich ihnen nicht geliefert, worauf sie begannen, sie dazu zu erfinden. Eine Zeitung hat geschrieben, ich würde mich entrüsten, was ich definitiv nicht tue. Wenn ich von einem möglichen Karrierestopp zu Guttenbergs gesprochen habe, wurde ein jäher Karrierestopp daraus. Man hat die Geschichte also ausgeschmückt. In einem Fall wurde auch völlig verdreht, was ich gesagt habe. Es geistert trotz Widerrufs leider immer noch durchs Netz, ich hätte den Entzug des Titels gefordert. Das habe ich nicht getan. Tatsächlich habe ich nur den sachlichen Ablauf des Verfahrens geschildert: Wenn sich die Vorwürfe in dem geschilderten Umfang bestätigen, dann muss die Universität Bayreuth, tätig werden und ihm den Doktortitel aberkennen.

Ist diese Erfahrung für Sie Anlass für eine generelle Medienkritik?

Ich kann diese Vorgehensweise nicht verurteilen. Die Menschen, die in Medien arbeiten, stehen unter enormen Zeit- und Erfolgsdruck und entwickeln daraus Mechanismen, die einem zunächst fremd erscheinen. Sie sind aber in der Sache, also wie Medien Geschichten darstellen, begründet. Beispielsweise sind Journalisten darauf geeicht, dass sie einem etwas Knalliges entlocken wollen. Das versuchen sie durch Schmeicheleien zu erreichen, sie schaffen eine Wohlfühlatmosphäre, in der man ins Plaudern kommen soll. Die Konsequenzen aus diesem Plaudern muss man dann allerdings alleine tragen.
Sie wollen also vor allem Gefühlsäußerungen und Spekulationen. Das ist einerseits verständlich. Die Fakten haben sie ja, aber nicht die Reaktionen auf diese Fakten. Daraus resultiert die Sucht nach spektakulären Äußerungen. Man muss deswegen sehr vorsichtig sein, dass man nichts sagt, was man später bereut. Eine Gefahr ist auch, dass man seine eigenen Äußerungen variieren will. Wenn mehrere Sender kommen, will man nicht immer dasselbe sagen. Dann wählt man Formulierungen, die etwas neben dem liegen, was man eigentlich sagen wollte. Einen weiteren Fallstrick sehe ich darin, dass die Fragen, die der Interviewer stellt,  nicht gesendet werden. So wirkt es, als hätte man aus eigenem Antrieb genau diesen Aspekt beleuchten wollen, obwohl man nur reagiert hat. Das kann ein schiefes Bild erzeugen. Ich habe aber auch Verständnis dafür, dass Medien so arbeiten. Und ich verstehe jetzt auch besser, warum Politiker oft so inhaltsleer sprechen – weil sie all diese Fallstricke damit vermeiden.

Würden Sie trotz der Fehler, die passiert sind, wieder als Ansprechpartnerin zur Verfügung stehen?

Es war wichtig, der Wissenschaft eine Stimme zu geben, auch wenn in der Debatte das politische Kalkül alles überwuchert. Aber ich glaube, es war richtig, sein Gesicht zu zeigen – zu zeigen, dass hinter den Texten, um die es hier geht, Menschen stehen. Ich habe natürlich auch heftige Gegenreaktionen von erbosten Bürgern bekommen, aber das muss man in solchen Situationen dann auch in Kauf nehmen.

Wie kam die Botschaft an, was wissenschaftliches Arbeiten ist und welchen Regeln es folgt?

Leider nur unzureichend. Mich erschreckt die Art der Debatte ziemlich. Das Plagiat an sich hat bei mir kaum Empfindungen ausgelöst. Was mich aber empört, ist das öffentliche Klima: zu meinen, dass Plagiate Bagatellen sind. Darin kommt ein ziemlicher Anti-Intellektualismus zum Ausdruck. Wenn es um industrielle Blaupausen geht, die von Chinesen kopiert werden, damit sie Produkte genauso gut, aber billiger produzieren, ist jeder empört. Aber in geisteswissenschaftlichen Fächern scheint es offenbar ziemlich gleichgültig zu sein, was mit wissenschaftlichem Eigentum passiert.

Wo ist für Sie die Grenze überschritten?

Natürlich können jedem, der wissenschaftlich arbeitet, Fehler bei der Arbeit mit Quellen unterlaufen. Was aber hier vorliegt, ist ein Werk, das aus fremdem Eigentum montiert wurde. Das ist absolut unzulässig. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. Das muss auch klar sein. Insofern hoffe, dass diese Affäre zumindest unseren jungen Leuten an der Universität klar macht, was im wissenschaftlichen Arbeiten absolut nicht geht. Ich hoffe, dass das für sie Ansporn ist, sorgfältiger mit Quellen umzugehen, als sie das vielleicht bisher getan haben.

Wie ist Ihr Text entstanden?

Das war ursprünglich ein Vortrag, den ich an der Hamburger Landesvertretung in Brüssel gehalten und dann zu einem Aufsatz ausgearbeitet habe. Ich habe darin einen Vergleich gezogen zwischen der amerikanischen Verfassungsdebatte und den Bemühungen in der Europäischen Union, zu einer Einigung zu finden.

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