Hier werden Karrieren gemacht?
Folgender Blog-Eintrag ist als Diskussionsbeitrag zur Einstimmung auf die angekündigte Podiumsdiskussion des AStA/SprecherInnerates zu verstehen. Er stellt eine persönliche Meinungsäußerung des Studentischen Senators dar. Kommentare sind gern willkommen!
„Hier werden Karrieren gemacht!“ prangt es unübersehbar auf der Startseite der Uni-Homepage. Auch sonst lässt die Uni Passau kaum eine Gelegenheit aus um auf ihre besonders karriere- und leistungsorientierte Ausrichtung hinzuweisen. Möglichst schnell, möglichst gut, möglichst angepasst studieren, bloß keinen spannenden Umweg gehen, der perfekt designte Lebenslauf könnte ja in Gefahr geraten.
Was in Passau bereits in aller Deutlichkeit hervortritt, ist jedoch kein seltener Einzelfall, diese Entwicklung zeigt sich an fast allen europäischen Hochschulen, letztlich im gesamten Bildungssystem. Aber kaum eine Uni wirbt so offensiv um eine vermeintliche Elite und richtet sich in ihrem Auftreten so sehr nach Wirtschaftsinteressen aus. Die meisten Studierenden nehmen diesen Trend jedoch nicht nur klaglos hin, nein, sie folgen untergeben dem straffen Programm, streiten sich um die größte Unterschreitung der Regelstudienzeit („Ich habe meinen Bachelor in vier Semestern geschafft!“) und blicken erwartungsvoll auf die bevorstehende Karriere als Unternehmensberaterin oder Anwalt in der Topkanzlei. Studierende versuchen zunehmend ihren Wert durch schnelles Aufsaugen möglichst großer Mengen an Wissen zu steigern und dann verkaufen sie sich – Hauptsache ein ansehnlicher finanzieller Gewinn springt dabei heraus – sieht so moderne Bildungs-Prostitution aus?
Die Uni verändert sich jedoch nicht nur in ihrem Selbstverständnis und durch ihre studierenden „Kunden“, nein, auch die Kommunikation und das Auftreten nach außen vermitteln immer stärker den Eindruck, dass es sich bei einer Hochschule um ein profitables Unternehmen handeln müsse, das eine vermeintlich erstklassige Ware – Karriereförderung – auf dem Markt anbietet und im gnadenlosen Wettbewerb mit anderen „Ausbildungsunternehmen“ steht. Für jeden sichtbar wird diese Entwicklung bereits an der Wortwahl im universitären Alltag – man spricht ganz selbstverständlich vom Career Service, geht auf die Campus meets Company Messe oder druckt sich im HisQis seinen Kontoauszug aus.
Die Studierenden nehmen diese Entwicklung willig hin, die Uni präsentiert sich als erfolgreiche Marke – kein Grund zur Sorge?
Ganz im Gegenteil! Was wie eine unvermeidliche Entwicklung wirkt, geht mit schwerwiegenden, bedenklichen Veränderungen einher. Wir müssen uns die grundlegende Frage nach dem Wert von Bildung stellen. Wozu brauchen wir umfassend gebildete Menschen, welchen Teil kann dazu die Hochschule beisteuern?
Bildung ist eben nicht das brave Auswendiglernen von vorgegebenen Fakten, die dann in größter Perfektion reproduziert werden. Bildung darf sich nicht an ihrer ökonomischen Verwertbarkeit orientieren, sondern bildet den Schlüssel für die Entwicklung eines kritischen, aufgeklärten Menschen und einer Gesellschaft, deren Mitglieder durch ihr verantwortungsbewusstes Handeln Fortschritt garantieren und durch ihre Partizipation Demokratie aktiv gestalten. Unreflektiertes Profitstreben ist Gift für sozialen Zusammenhalt; Ausgrenzung sozial Schwacher durch – brutale – Konkurrenz ist die Konsequenz. Wie durch gänzlich unpolitische, nur nach einer eindimensionalen Leistungsideologie ausgerichtete menschliche Maschinen gesellschaftliche Entwicklung möglich sein soll, bleibt rätselhaft. Dabei muss eines klar sein: Es ist nichts gegen besondere Leistungen einzuwenden, die ja durchaus auch heute noch an unseren Unis erbracht werden, aber es ist mehr als bedenklich, wenn einzig ökonomischer Vorteil, Bestnoten oder eine steile Karriere als Maßstab für eine hohe Leistung gelten – wo bleibt die Wertschätzung für den Einsatz für soziale und ökologische Ideale, wer beachtet die Leistung eines Menschen aus sozial benachteiligter Familie, der allen Widerständen zum Trotz den Weg an die Uni geschafft hat?
Gerade Universitäten stehen hierbei in besonderer Verantwortung für die gesellschaftliche Entwicklung, prägen sie doch sehr nachhaltig zukünftige Generationen in ihrem Denken und Handeln. Wenn bereits an der Uni fast ausschließlich das Konzept eines leistungsorientierten „homo oeconomicus“ im Fokus steht, dabei jedoch in Forschung und vor allem Lehre demokratisches Bewusstsein und soziale und ökologische Verantwortung völlig ausgeblendet werden, sollte sich niemand wundern, wenn eine unsolidarische Gesellschaft geschaffen wird. Dass Bildung einen Wert an sich hat, der niemals monetär messbar sein wird, scheint in den Köpfen vieler Menschen nicht mehr verankert zu sein.
Als Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden, als Einheit von Forschung und Lehre könnte eine Universität gerade durch ihr Alltagshandeln wertvolle Impulse setzen. Durch die gleichberechtigte Einbeziehung aller Gruppen in den internen Willensbildungsprozess könnte Demokratie aktiv gelebt werden, könnten die Vorteile partizipativer Prozesse erlernt werden, könnte gesellschaftliche Verantwortung übernommen werden. Das alles muss einhergehen mit einem grundlegenden Bewusstseinswandel aller Beteiligten, es müsste ein ehrliches Interesse an nachhaltigem Denken und Handeln entwickelt werden, Wettbewerbsdruck und Konkurrenzdenken dürften nicht noch weiter gefördert werden, soziale Kriterien bei der Auswahl und Förderung der Studierenden dürften nicht länger als leistungsfeindliche Hemmnisse diffamiert werden, sondern verdienen eine Würdigung als Grundstein eines solidarischen, partizipativen und nachhaltigen Bildungssystems.
Dass es noch Menschen gibt, die nicht bereit sind diese Verhältnisse klaglos hinzunehmen, ist ein ermutigendes Signal, das sich aktuell in den Protesten des Bildungsstreiks gegen ein unsolidarisches, engstirniges Bildungssystem zeigt. Trotzdem scheint es höchst zweifelhaft, ob diese Erkenntnis auch in den Köpfen derjenigen angekommen ist, die sich diesem Leistungsdenken kritiklos unterwerfen bzw. dieses Denken gezielt propagieren. Damit sich das ändert, ist jede/r Einzelne unter uns gefragt, nur wenn die willige Unterwerfung unter das Diktat von Leistung und Profitstreben durchbrochen wird, nur wenn wir uns weigern, möglichst konformistisch vorgefertigte Meinungen zu übernehmen, wird es auch ein gesellschaftliches Umdenken geben.
Bis dahin wird es weiter drohend von allen Seiten schallen: „Hier werden Konformisten gemacht!“
Stichwörter: Meinung, Recruiting und Karriere, Uni PassauKategorie(n): Recruiting und Karriere, Studierendenproteste, Studierendenvertretung, Studium, Unkategorisiert
Dieser Artikel wurde verfasst von David Hartmann.
Ein Kommentar
Persönliche Mitteilung: Podiumsdiskussion an der Universität Passau
Thema: „Die unternehmerische Universität – Selbstverwirklichung oder Karrieresprungbrett?“
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,
am Dienstag, den 01. Juni 2010 fand an der Universität Passau um 20:00 Uhr im Hörsaal 13 (FIM) eine Podiumsdiskussion zum Thema „Die unternehmerische Universität – Selbstverwirklichung oder Karrieresprungbrett?“ statt, die die Studierendenvertretung organisierte. An der Diskussion beteiligten sich Eike Hallitzky, MdL (B.’90/Die Grünen) [stellvertretend für Kai Gehring, MdB (B.’90/Die Grünen)], Nicole Gohlke, MdB (Die Linke.), Bernhard Roos, MdL (SPD) [stellvertretend für Isabell Zacharias, MdL (SPD)] und der Vorsitzende des Ausschusses für Hochschule, Forschung und Kultur im Bayerischen Landtag Bernd Sibler, MdL (CSU). Moderiert wurde die Podiumsdiskussion vom BR-Korrespondenten aus Passau Ivo Marusczyk. Von Seiten der Universität Passau waren der Vizepräsident Prof. Dr. Ernst Struck und der Inhaber des Lehrstuhls für Kunstpädagogik/Ästhetische Erziehung Prof. Dr. Alexander Glas anwesend.
Der Hochschulausschussvorsitzende Bernd Sibler, MdL, sieht die moderne unternehmerische Universität gleichwertig in den beiden Grundpfeilern Selbstverwirklichung und Karrieresprungbrett verwirklicht. Dies umschrieb er mit Persönlichkeitsentwicklung auf der einen Seite und Berufsorientierung auf der anderen Seite, die beide bereits schon in der Schulzeit angebahnt werden müssen. Dies war auch generell unter den Teilnehmern der Podiumsdiskussion konsensfähig; verschiedene andere Gesichtspunkte wurden aber kontrovers diskutiert.
Ich persönlich als Lehramtsstudent und Kulturbeauftragte des Studentischen Konventes sehe in diesem Zusammenhang gerade das studienbegleitende fachdidaktische Praktikum im Rahmen des Lehramtsstudiums als Paradebeispiel, in dem durch wöchentliche Praxistage und Seminarveranstaltungen innerhalb eines ganzen Semesters sinnvoll Theorie und Praxis verknüpft werden und die persönliche Einstellung zum Lehrberuf in besonderem Maße gefördert werden kann.
Mit diesen Worten möchte ich über die Podiumsdiskussion informieren und meine persönliche Sicht des Sachverhalts vor allem in Bezug auf das Lehramtsstudium zum Ausdruck bringen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
gez. Roland Josef Kufner Flintsbach, den 02. Juni 2010
Kulturbeauftragter des Studentischen Konvents