Das Passauer Stipendienprogramm
Der Senat hat ein universitätsweites Stipendienprogramm beschlossen, das bereits zum Sommersemester 2007 in Kraft trat. Ziel dieses Programms ist es, Stipendiaten eines anerkannten Begabtenförderungswerkes (im WS 08/09 4,9 % der Studierenden) durch die Befreiung von den Studienbeiträgen finanziell zu unterstützen. Diese „Zweitstipendien“ in Höhe von 80,83 Euro pro Monat werden von den Studienbeitragszahlern (64,1 % der Studierenden) der Universität finanziert. Indem für die breite Masse finanzielle Hindernisse für Aufnahme und Durchführung eines Studiums aufgebaut werden, sollen so Anreize für Spitzenleistungen (Art. 71 Abs. 5 Satz 3 BayHschG) geschaffen werden.
„Wer hat dem wird gegeben“
Das Passauer Stipendienprogramm ist ähnlich umstritten wie sein nationales Pendant:
Da es an die Förderung durch ein anerkanntes Begabtenförderungswerk anknüpft, ist das Passauer Programm der gleichen Kritik ausgesetzt, wie sie gegen die gängige Praxis der Stipendienvergabe jener Förderungswerke immer wieder vorgebracht wird. Nach einer Studie des Hochschul-Informations-Systems aus dem Jahr 2008 ist der Anteil der begüterten Akademikerkinder im Vergleich zu deren Anteil unter allen Studierenden besonders hoch, bei Kindern aus der „Unterschicht“ ist er besonders niedrig. Damit ist die soziale Selektion bei der Förderung von Begabten sogar noch stärker als die beim Hochschulzugang. Karl Ulrich Mayer, Co-Direktor des Zentrums für Ungleichheitsforschung an der amerikanischen Yale University spricht deshalb von der „Selbstreproduktion des deutschen Bildungsbürgertums.“ Dazu kommt, dass die Stipendien in einem äußerst intransparenten Verfahren vergeben werden und die Entscheidungen zumeist nicht begründet werden.
Aber auch unabhängig davon, wie man die Studienstiftungen bewertet, ergeben sich im Passauer Stipendienprogramm Widersprüche:
Das Wesen des Beitrags, also auch des Studienbeitrags, ist es, dass er für die Bereitstellung einer Leistung unabhängig von ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme entrichtet wird. Nachdem an der Uni Passau für alle Studiengänge in etwa gleich viele studienbeitragsfinanzierte Angebote bereitgestellt werden, beträgt der Studienbeitrag einheitlich 485 € pro Semester.
Es ist indessen üblich, dass Beiträge – gerade wenn sie wie Studienbeiträge sozial sensible Bereiche berühren – entsprechend der jeweiligen finanziellen Leistungsfähigkeit entrichtet werden. (Bsp. Krankenversicherungsbeiträge: Erhebung proportional zum Einkommen, Kinder werden z.B. bei vollem Leistungsanspruch kostenlos mitversichert). Deshalb werden z.B. auch Studierende mit 2 Geschwistern oder mit eigenen Kindern von den Studienbeiträgen befreit und können trotzdem alle Angebote wahrnehmen. Die Solidargemeinschaft der Studierenden unterstützt damit ihre sozial schwächeren Mitglieder.
Vollkommen unüblich ist allerdings, sozial Bessergestellte zu unterstützen. Stipendiaten bekommen von ihrer Stiftung eine elternabhängige Förderung in Höhe des ihnen sonst zustehenden BAföG-Satzes. Diesen Anteil erhält nur nicht, wessen Eltern „zu viel“ verdienen und ihn deshalb selbst unterstützen können. Insofern ergibt sich kein Unterschied zwischen Stipendiaten und allen anderen Studierenden. Schon allein deshalb sind sie nicht sozial schwächer und bedürfen nicht der Hilfe der Solidargemeinschaft. Im Gegenteil: Stipendiaten erhalten elternunabhängig derzeit noch 80 € Büchergeld pro Monat, bald 300 €. Geht man davon aus, dass dem durchschnittlichen Passauer Studenten 600 € pro Monat für Leben und Studieren zur Verfügung stehen, dann gehören Stipendiaten mit bald 900 € pro Monat zweifelsohne finanziell zur studentischen Oberschicht.
Das Passauer Stipendienprogramm führt also zu einer Umverteilung von unten nach oben.
Wie es damit weitergeht ist fraglich. Das Studierendenparlament wird sich jedenfalls voraussichtlich am 04.11. mit einem Antrag zu dessen Abschaffung befassen.
Stichwörter: Meinung, Studienbeiträge, Studiengebühren, StuPaKategorie(n): Stipendien, Studierendenvertretung
Dieser Artikel wurde verfasst von Kai Hofmann.
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