Jurist Jesus: Der Rechtshistoriker Ulrich Manthe entdeckt in althebräischen Texten Christus als Rechtsgelehrten

Veröffentlicht von am 21.04.2011, 11:42 | Kommentar

Prof. Dr. Ulrich Manthe

Wäre er nicht der Sohn Gottes, aus Jesus hätte ein toller Anwalt werden können. Das ist Ulrich Manthe, Professor für Bürgerliches Recht und Römisches Recht an der Universität Passau, schon als Kind aufgefallen. Weil er am humanistischen Gymnasium Althebräisch lernte, gehörte die Bibel zu seiner Pflichtlektüre. Später erlernte er noch Aramäisch – die Alltagssprache im Palästina zu Jesus Zeiten-, um im Original lesen zu können, wie jüdische Gelehrte das Alte Testament ausgelegt haben. Gerade für einen Rechtshistoriker sind die religiösen Texte eine Fundgrube.

„Viele Leute vertreten die Ansicht, dass unsere Gesetze vor allem auf der Tradition des römischen Rechtes fußen. Dabei stehen Grundsätze wie die Billigkeitsentscheidung – also eine Einzelfallabwägung statt einer buchstabengetreuen Auslegung von Gesetzen – so auch bereits in der Bibel“, erklärt Manthe.

Jedem, der zu Ostern in die Kirche geht, empfiehlt er, Jesus als Rechtsgelehrten neu zu entdecken. „Wenn er mit den Sadduzäern über Dinge wie Ehescheidung spricht, offenbart er ein großes juristisches Wissen.“

Im Lukasevangelium erzählt Jesus etwa das Gleichnis vom untreuen Haushalter, der von seinem Herrn entlassen wird, weil der ihn der Verschwendung bezichtigt. Um Rechenschaft über seine Buchhaltung abzulegen, geht er zu allen Schuldnern des Herrn und ändert deren Quittungen – wer dem Herrn 100 Sack Weizen schuldet, muss ihm nun nur noch 80 Sack Weizen zurückzahlen. Obwohl er das Vermögen des Herrn damit eigentlich vermindert, erhält er ein Lob. In den Osterpredigten wird man diese Geschichte wahrscheinlich nicht erzählt bekommen. Denn ohne das Hintergrundwissen der damaligen Zeit begreift man das Gleichnis nicht. Worum es geht, versteht erst, wer wie Manthe den Talmud lesen kann, die Sammlung der Auffassungen jüdischer Rechtsgelehrter zwischen Christi Geburt und dem vierten Jahrhundert. „Jesus bezieht sich hier auf das Gesetz, dass Juden von anderen Juden keine Zinsen nehmen dürfen. Geht man davon aus, dass die Schuldner versteckte Zinsen zahlen sollten, indem sie mehr zurückzahlen als sie an Wert bekommen hatten, wären die Quittungen des Herrn vor Gericht wertlos gewesen. Der Verwalter gibt ihnen durch seine Korrektur den Wert zurück.“

Um den Sinn von juristischen Feinheiten in Texten ausgestorbener Sprachen zu erfassen, sind Manthes Kenntnisse dieser Sprachen für die Forschung von großem Nutzen.

„Von vielen Schriften gibt es keine befriedigenden Übersetzungen, in denen sich nicht der Zeitgeist oder die Haltung des Übersetzers niederschlägt. Daher braucht es Leute, die das im Original lesen können“, erklärt er.

Weil er in seiner Laufbahn durch Kenntnisse des Etruskischen, des Aramäischen und des Hebräischen bislang unzugängliche Quellen für die Geschichte des Rechts erschlossen hat, nahm die Bayerische Akademie der Wissenschaften Manthe im März 2011 als ordentliches Mitglied auf.

Als solche werden Wissenschaftler berufen, die durch ihre Forschung zu einer wesentlichen Erweiterung des Wissensbestandes ihres Fachs beigetragen haben. Ihre Zahl ist in der Philosophisch-historischen Klasse auf 45 beschränkt.

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Dieser Artikel wurde verfasst von Anonymous.

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