Wie abhängig machen Drittmittel wirklich?
Die Wikiseite Hochschulwatch hat in den letzten Tagen sowohl in der Presse als auch hier im Uniblog Erwähnung gefunden. Ob die dort angegebenen Zahlen zur Universität Passau korrekt sind oder nicht, sei dahingestellt, die Schlussfolgerung Geringer Anteil gewerblicher Drittmittelgeber = große Unabhängigkeit ist definitiv absurd und verwechselt Unabhängigkeit mit Irrelevanz.
Wie läuft Drittmittelforschung? Gerade in den Anwendungswissenschaften wie Informatik und Mathematik besteht durchaus ein Interesse gewerblicher Unternehmen, bei der Lösung ihrer Anwendungsprobleme auf das Wissen und die Fähigkeiten zurückzugreifen, die an den Universitäten zu finden sind, und (idealerweise) gemeinsam Lösungen für diese Probleme zu erarbeiten. Dass die Universitäten dafür „marktübliche Preise“ nehmen müssen, verlangt bereits der Beihilferahmen der EU. Derartige Industriekooperationen sind oftmals nicht weniger anspruchsvoll als „theoretische“ Forschung, erlauben nach wie vor eine Publikation der Ergebnisse und finanzieren beispielsweise Promotionsstellen. Was sie nicht sind, ist ein Eingriff in die Forschungsfreiheit: Niemand wird zu Industriekooperationen gezwungen, Studenten und Doktoranden, die im Rahmen solcher Abschlussarbeiten in derartigen Projekten mitwirken, werden nicht unter Drogen gesetzt, verschleppt oder sonstwie gegen ihren Willen zur Mitarbeit gezwungen. Ganz im Gegenteil: Gerade die Studierenden unter den Studentinnen und Studenten der FIM fragen auch immer wieder ganz gezielt Abschlussarbeiten im Umfeld eines Industrieunternehmens nach, um so auch kennenlernen zu können, wie es später in der Berufswelt aussieht.
Natürlich finanzieren gewerbliche Unternehmen nur Themen, von denen sie sich einen gewissen Nutzen versprechen, aber das als Einflussnahme auf die Forschung zu sehen, ist weltfremd, denn schließlich ist niemand gezwungen, diese Themen zu bearbeiten. Und ich persönlich wäre sehr viel skeptischer bei Drittmittelgaben, die keine Gegenleistungen in Form klar definierter Arbeits- und Forschungsergebnisse fordern – Quidquid it est, timeo Danaos … (Vergil)
Und klar: Drittmittel, ganz egal ob gewerblich oder öffentlich, dürfen nicht zum Ersatz für Grundausstattung werden, denn dann besteht die Gefahr der Abhängigkeit, ganz egal woher diese Mittel kommen, denn auch bei öffentlichen Mitteln werden die förderungswürdigen Forschungsthemen mehr und mehr zentral definiert und wer dem Mainstream nicht folgt, hat eben Pech gehabt.
Kategorie(n): Forschung, Recruiting und Karriere, Unkategorisiert
Dieser Artikel wurde verfasst von Tomas Sauer.
5 Kommentare
Vielen Dank für die ergänzende Stellungnahme zum Thema Hochschulwatch. Die Schlussfolgerung lässt sich wahrhaftig nicht so einfach machen wie dargestellt. Gewerbliche Drittmittel sollte man sicherlich nicht generell verteufeln, eine mögliche Einflussnahme per se auszuschließen halte ich allerdings für gefährlich. Vielmehr sollte man im Einzelfall genauer hinschauen. Daher wäre eine Kategorisierung der (gewerblichen) Drittmittel interessant, besser noch der Einblick in die Kooperationsverträge.
Hochschulwatch nennt explizit das Sponsoring von Hochschulen mit dem Effekt der Umbenennung von Hörsälen. Es wurden sogar schon komplette Hochschulen aufgrund solcher Sponsorings umbenannt (siehe Jacobs University Bremen). Daher finde ich die Initiative der Studierendevertretung gegen die Kommerzialisierung der Hochschulen als gerechtfertigt. Ansonsten kommt man sich im Hörsaal schon bald vor wie im Fussballstadion.
Es macht schon einen gewissen Unterschied ob die Drittmittel von der DFG, dem BMBF, der EU oder der Privatwirtschaft kommen. Öffentliche Forschungsförderungen sollten idealerweise im Interesse der (inter-)nationalen Wissenschaft und Bevölkerung sein, nicht im Interesse eines Unternehmens – selbst wenn die Ergebnisse veröffentlicht werden dürfen. Ebenso fraglich ist die Stiftung von ganzen Lehrstühlen durch Unternehmen. Würde der Stiftungslehrstuhl Ergebnisse veröffentlichen, welche den Sponsor in einem schlechten Licht erscheinen lassen?
Nichtsdestotrotz habe ich die Bezugnahme auf die Unabhängigkeit im ursprünglichen Artikel hier im Campus Passau Blog gestrichen.
Sie fangen an, die richtigen Fragen zu stellen. Aber:
1) Drittmittelvertäge offenzulegen ist unmöglich, denn die „guten“ enthalten ja auch Information, worüber geforscht werden soll und das hilft immer auch der Konkurrenz.
2) Sponsoring und Hörsaalnamen sind doch nur lächerlich. Oder glaubt irgendjemand, daß mehr Studenten beim Discounter kaufen, nur weil der Hörsaal nach diesem benannt ist. Wenn Firmen meinen, ihr Geld so zum Fenster hinauswerfen zu müssen, bittesehr, wenn es die Multimediaausstattung finanziert. Und wenn unsere Studenten so gerne in den Hörsaal kommen, wie ins Stadion … Man wird ja mal träumen dürfen.
3) Wer denken Sie wohl gibt die Forschungsrichtungen und -trends beim BMBF und der EU vor?
Bei Stiftungsprofessuren wird es nun wieder interessant, vor allem dann, wenn die Stifter nur Grundausstattung und eine begrenzte Zeit bezahlen. So kann man eine Universität, die dem geschenkten Gaul nicht ins Maul schaut, dann schon umdirigieren. Danaergeschenke halt.
Die Print-Ausgabe der Zeit vom 1. August widmet sich diesem Thema in einem dreiseitigen Dossier unter dem Titel “Die gekaufte Wissenschaft”. Die Analogie zum Fussballstadion mit Bandenwerbung wurde auch dort verwendet. Die recherchierten Fälle werfen ein sehr zweifelshaftes Licht auf die Unabhängigkeit mancher Forscher und Forschungseinrichtungen. In Bezug auf Drittmittel oder Beratertätigkeiten sollte man vermutlich mal die öffentliche Diskussion zu Social Responsibility of Science beginnen (vgl. zu CSR).
Besonders überrascht hat mich jedoch die Zahl von über 1000 Stiftungslehrstühlen in Deutschland. Der Artikel geht auch auf die Lage der Forscher ein, welche es „ohne Kontakte zur Wirtschaft heute schwer haben“. In diesem Sinne gilt der Appell an Landes- und Bundesregierung: Mehr Geld in Bildung & Wissenschaft – von Kita über Schulen bis hin zu unseren Wissenschaftlern.
Danke für den Hinweis. Ich lese die Zeit nicht Offline und habe mir den Artikel besorgt, der seine 3.81€ aber sowas von nicht wert war. Mal abgesehen davon, daß die Hauptsatzprosa eher zu B* als zu Z* passt und eine Fragezeicheninflation eben kein Ersatz für Argumentation ist, wird da wieder einmal vieles vermischt. Gutachten, um die es zuerst geht, sind eben keine Forschung, sondern nur etwas, wo ein „Forscher“ seine Autorität in die Waagschale wirft. Dann geht es um viele „Studien“, die ebenfalls nicht unbedingt Forschung sein müssen. Aber natürlich sind einige der vorgestellten Fälle schon haarsträubend, passen also zum Stil des Artikels. Aber überraschend? Nicht wirklich.
Stiftungslehrstühle sind immer ein zweischneidiges Schwert, sie können einer Uni helfen, Leute zu bekommen, die in Forschung und Lehre eine Bereicherung sind und sie können missbraucht werden, um die Ausrichtung in eine gewünschte Richtung zu lenken, denn nach Ablauf der Stiftung muss die Uni sie ja fortfinanzieren und das Geld bzw. die Stellen müssen dann woanders eingespart werden. Per se sind sie weder gut noch böse, sie sind halt das, was man daraus macht.
Ein Tipp: sehr viele Zeitungen und Zeitschriften kann man innerhalb des Universitätsnetzes kostenlos online lesen: http://www.ub.uni-passau.de/literatursuche. Die Zeit ist auch dabei.