Lese- und Zeitmanagement-Experte: Dr. Martin Krengel

Veröffentlicht von am 31.08.2015, 10:48 | Kommentar

Autorenfoto-Martin-KrengelOb Lehramt, Staatswissenschaft oder BWL: Das Lesen von Fachbüchern und -artikeln gehört zu jedem Studium. Oft scheint die Menge an Pflichtliteratur unüberschaubar; der Inhalt der Artikel ist komplex. Wie soll man vorgehen, um alle Texte bis zur Prüfung durchzuarbeiten? Dr. Martin Krengel hat Wirtschaftswissenschaften und Psychologie studiert und bereits während seines Studiums eigene Lese- und Zeitmanagement-Strategien entwickelt. Mittlerweile ist er als Dozent selbständig und berät Firmen wie Siemens AG, Deutsche Post und Deutsche Bahn zu den Themen Zeitmanagement, Produktivität und Informationsverarbeitung. Auch an zahlreichen Universitäten gibt er sein Wissen über Lese- und Lernstrategien an Studierende weiter. Am Zentrum für Schlüsselkompetenzen (ZfS) war er von 2008 bis 2015 tätig. Uns hat er im Interview erklärt, wie man die Pflichtliteratur meistern kann und warum vor allem Zeitmanagement im Studium wichtig ist.

ZfS: Herr Krengel, warum haben Ihrer Meinung nach viele Studierende Schwierigkeiten damit, die Pflichtliteratur im Studium zu bewältigen?

Dr. Martin Krengel: Die meisten Studierenden sind von der Textmenge und der Komplexität der Themen überfordert. Besonders wissenschaftliche Texte sind nicht gerade leserfreundlich geschrieben. Das erzeugt Frust und kostet viel Zeit.

ZfS: Sie haben während Ihres Studiums eigene Lese-Methoden entwickelt. Wie kam es dazu?

Krengel: Ich habe in meinem Studium systematisch nach besseren Zeitmanagement- und Lernmethoden gefahndet. Ich war „nebenbei“ Liga-Kunstturner, hatte einen Nebenjob und einige Hobbys. All das wollte ich nicht aufgeben. Also war ich auf der Suche nach Strategien, die helfen, das gewaltige Lernpensum im Studium zu meistern und somit Studium und Privatleben zu vereinen. Im Bereich des Lesens bin ich zunächst auf das „klassische Speed-Reading“ gestoßen. Das war zwar ein Anfang, hat mir aber nur bedingt weitergeholfen, da es lediglich lehrt, alles schneller zu lesen. Im Studium geht es aber nicht nur um die Lese-Geschwindigkeit; wir müssen auch lernen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Da es hierfür noch keine Konzepte gab, habe ich eigene Strategien entwickelt, die helfen, nach Relevanz zu lesen.

ZfS: Wir sollen bei der Literatur also Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden. Ist es sinnvoll, ganze Texte wegzulassen, die unwichtig scheinen?

Krengel: Für alle, die sich ein paar graue Haare sparen wollen, lautet die Antwort: Ja! Natürlich ist es nicht einfach, Texte zu ignorieren. Oft hat man Angst, etwas Wichtiges zu übersehen. In meinen Büchern und Seminaren zeige ich, wie man Texte schnell anhand von Schlüsselsignalen (Überschriften, Bilder, Zusammenfassungen, Vorwort) scannen kann, um herauszufinden, wie relevant der Text ist. Oft lassen sich so binnen weniger Minuten große Teile von Texten oder Büchern ausschließen, die nicht prüfungsrelevant sind. Somit erspart man sich Tage an Arbeit, Stress und Verwirrung.

ZfS: Eine Strategie, die Sie entwickelt haben, ist die des „Schichten-Lesens“. Können Sie uns diese Methode kurz erklären?

 Krengel: Beim „Schichten-Lesen“ geht es darum, den Text mehrmals zu lesen – und bei jedem Mal eine Schicht tiefer in den Text zu gehen. Der Leitsatz lautet: Lieber einen Text dreimal flüchtig lesen, als einmal übergründlich. In jeder Runde des Lesens werden relevante Passagen markiert und nicht relevante durchgestrichen. So wird Schicht für Schicht ein Verständnis für den Text aufgebaut. Die meisten Studierenden lesen den Text beim ersten Durchgang sehr langsam und wollen alles verstehen. Beim „Schichten-Lesen“ aber wird beim ersten Durchgang sehr schnell, nur flüchtig, gelesen. Der Vorteil gegenüber dem „Schneckentempo-Lesen“ ist, dass wir so das „Große Ganze“ schneller erfassen und Fragen im Kopf generieren. Beim zweiten Mal lesen wir somit fokussierter, aufmerksamer und auch interessierter.

Außerdem ist das übergründliche Lesen beim ersten Mal reine Zeitverschwendung, da das Gehirn ohnehin im Schnitt sechs Wiederholungen braucht, bis es sich Dinge merkt. Die Lernpsychologie zeigt: Meist sind 80% der Informationen bereits nach 24 Stunden wieder vergessen! Nach dem ersten Durchlesen bleiben im Gehirn also lediglich die groben Zusammenhänge hängen. Diese kann man aber auch in einem Fünftel der Zeit erfassen!

Die genaue Methodik habe ich auf meiner Webseite zusammengestellt.

ZfS: Sie haben auch zum Thema Zeitmanagement mehrere Bücher veröffentlicht. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach ein gutes Zeitmanagement für das Studium?

Krengel: Für mich war und ist Zeitmanagement der Schlüssel zu allem: Wer sich gut strukturieren und organisieren kann, ist weniger gestresst und macht damit sein Gehirn lernbereiter. Durch gutes Zeitmanagement haben wir mehr Freizeit und damit auch mehr Energie und Konzentration für die denkintensiven Aufgaben. Wenn wir entspannt durch die Uni gehen, haben wir zudem noch ein charmantes Lächeln für die Kommilitonin oder den Kommilitonen auf den Lippen…

ZfS: Am ZfS waren Sie sieben Jahre lang als Trainer tätig. Als Sie im Jahr 2008 zum ZfS kamen, hatten Sie gerade Ihren Studienabschluss in der Tasche und Ihr erstes Buch veröffentlicht. Mittlerweile sind Sie ein gefragter Trainer und beraten Top-Firmen. Was nehmen Sie aus der Zeit am ZfS in Passau mit?

 Krengel: Sehr viel. Das ZfS war damals einer meiner ersten Kunden. In Passau durfte ich 10 bis 15 Seminare pro Jahr zu vier verschiedenen Themen halten: Zeitmanagement, Stressbewältigung, Lesestrategien und Lerntechniken. Das war eine super Schule! Weil ich immer dieselbe Zielgruppe hatte, konnte ich systematisch testen, welche Techniken am besten halfen – und wie ich diese noch effektiver vermitteln kann. Am Anfang war ich kaum älter als die Studierenden; und diese haben mir offenes und ehrliches Feedback gegeben. Das war eine tolle Trainerschule, für die ich sehr dankbar bin.

Nun habe ich keine Aufträge in Passau mehr angenommen. – Das fiel mir sehr schwer. Aber Berlin, wo ich derzeit wohne, ist sehr weit weg. Zudem lebe ich als „digitaler Nomade“, reise viel und arbeite viel aus dem Ausland. Daher biete ich in Zukunft auch Online-Kurse als Ergänzung zu meinen Büchern an, sodass ich zumindest auch mal virtuell in Passau sein kann…

ZfS: Auch wir finden es schade, dass Sie nun nicht mehr als Trainer am ZfS tätig sind. Wir bedanken uns für die gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit in den letzten Jahren und wünschen Ihnen alles Gute für Ihre weitere, vielversprechende berufliche und persönliche Zukunft!

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Dieser Artikel wurde verfasst von Zentrum für Karriere und Kompetenzen.

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