Moral in der Wirtschaft? – Seminar „Wirtschaftsethik“ am ZfS
“The social responsibility of business is to increase its profits”, so hatte es Milton Friedman, Begründer der Chicagoer Schule, im Jahr 1970 ausgedrückt. – Seitdem hat sich einiges getan: Nicht zuletzt aufgrund der Finanzkrise wird immer mehr über Moral in der Wirtschaft diskutiert. Begriffe wie „Wirtschaftsethik“ und „Corporate Responsibility“ sind in aller Munde; die Gesellschaft empört sich über Standortverlagerungen in Billiglohnländer, hohe Managergehälter und riskante Finanzspekulationen. Auch der Ruf nach der Einbindung von wirtschaftsethischen Inhalten an der Universität wird immer größer; sowohl seitens der Unternehmen als auch der Studierenden. Am Zentrum für Schlüsselkompetenzen (ZfS) haben daher ab diesem Semester alle Interessierten die Möglichkeit, sich mit wirtschaftsethischen Zusammenhängen zu befassen. Im neuen Seminar erfahren die Teilnehmenden, wie wirtschaftliche und ethische Erfordernisse „zusammengedacht“ werden können und lernen, verschiedene Fragestellungen der Wirtschafts- und Unternehmensethik zu beurteilen. So können sie sich auf spätere Tätigkeiten in führenden Positionen vorbereiten.
Im Interview erklärt Dr. Nikil Mukerji, warum es wichtig ist, auch Veranstaltungen außerhalb des eigenen Fachbereichs zu besuchen und verrät, was die Teilnehmenden in seinem Seminar erwartet.
ZfS: Herr Mukerji, „Wirtschaft“ und „Ethik“ werden oft als Gegensätze wahrgenommen. Sie haben sich mit beiden Disziplinen befasst: Zunächst haben Sie BWL studiert, dann VWL, danach Philosophie, um schließlich in Philosophie zu promovieren. Wie kam es zu dieser eher ungewöhnlichen Kombination?
Mukerji: Das war tatsächlich eine etwas abenteuerliche Kombination. Sie folgte allerdings einer gewissen Logik. Zunächst interessierten mich praktische, wirtschaftliche Fragen. Ich wollte gerne schnell Geld verdienen – am besten viel davon! So entschied ich mich für ein BWL-Studium in Kombination mit einer praktischen Ausbildung im Hause der Deutschen Bank. Schnell fiel mir auf, dass die eigentlich interessanten Fragen – heute würde ich sagen: die philosophischen Fragen – in Theorie und Praxis zu kurz kamen. Mir fehlte vor allem die Ethik. Deswegen entschloss ich mich, meine Abschlussarbeit in diesem Bereich zu schreiben und das Thema im Rahmen eines Philosophiestudiums weiter zu vertiefen. Im Rahmen dieses Studiums lernte ich Professor Homann kennen, den Begründer der Wirtschaftsethik in Deutschland. Er ermutigte mich, zunächst mit VWL weiterzumachen, um mich dann wirtschaftsethischen Fragen zuzuwenden. Im Rückblick war das genau richtig. Um das Thema Wirtschaftsethik wirklich zu durchdringen, braucht man sowohl philosophische als auch wirtschaftswissenschaftliche Methoden. Mit beiden habe ich mich eingehend befasst.
ZfS: Ihr bisheriger Werdegang stellt also eine ideale Voraussetzung dar, um das Seminar „Wirtschaftsethik“ am ZfS zu leiten. Was lernen die Studierenden in Ihrem Seminar?
Mukerji: Sie lernen das, was ich gelernt habe – zumindest das wichtigste davon. Wir beginnen mit Techniken des logischen Denkens, die wichtig sind, um wirtschaftsethische Fragen zu durchdenken (und übrigens nicht nur dafür!). Danach diskutieren wir wirtschaftsethische Konzeptionen und vertiefen diese anhand praktischer Inhalte. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der sogenannten Ordnungsethik. Sie stellt die wirtschaftliche und soziale Rahmenordnung in den Mittelpunkt der Analyse. Durch die Auseinandersetzung mit diesem Konzept lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie man diese Theorie in der Praxis anwenden und belastbare wirtschaftsethische Urteile fällen kann.
ZfS: Das klingt spannend. Wie lernen die Teilnehmenden, die theoretischen Konzepte der Wirtschaftsethik auch praktisch anzuwenden?
Mukerji: Bei Wirtschaftsethik geht es darum, begründete, moralische Urteile über wirtschaftliche Zusammenhänge zu fällen. Diese Kompetenz kann man nur erlangen, wenn man sie aktiv entwickelt. Daher stehen bei meinem Seminar interaktive Methoden wie Diskussionen und Gruppenarbeiten im Vordergrund.
ZfS: Nennen Sie uns drei Gründe, warum die Studierenden Ihr Seminar belegen sollten.
Mukerji: Erstens: Wirtschaftsethik ist eine der Kompetenzen, die für Führungskräfte enorm wichtig sind. Jeder, der in einer leitenden Funktion ist, wird früher oder später schwierige Entscheidungen treffen müssen. Dabei kann das Seminar helfen.
Der zweite Grund liegt darin, dass wir uns alle früher oder später mit ethischen Fragen auseinandersetzen müssen: Kann ich das vor mir selbst vertreten? Wofür stehe ich eigentlich? Dies ist ein wichtiger Schritt bei der Persönlichkeitsentwicklung und ist entscheidend für unser Selbstbild.
Und drittens ist es wichtig, auch mal über den Tellerrand hinauszuschauen. Wer das Seminar Wirtschaftsethik am ZfS belegt, bekommt sicher kein Standard ABWL-Seminar.
ZfS: Sollte der Besuch von Veranstaltungen zur Wirtschaftsethik Ihrer Meinung nach für Studierende verpflichtend sein?
Mukerji: Das wär keine optimale Lösung. Es würde nur dazu führen, dass die Studierenden ein weiteres Kästchen hätten, an das sie während ihres Studiums einen Haken machen müssen. Es wär sinnvoller, wenn wirtschaftsethische Fragen dort in das Wirtschaftsstudium integriert würden, wo sie auftreten – unabhängig von der Veranstaltung. Ich sehe aber auch, dass sich einiges ändern müsste, bevor man diesen Vorschlag umsetzen könnte.
ZfS: An welche Änderungen denken Sie dabei?
Mukerji: Das würde bedeuten, dass diejenigen, die Wirtschaftswissenschaften an einer Universität oder Fachhochschule lehren, wirtschafts- und unternehmensethische Aspekte immer „auf dem Schirm“ haben müssten. Und nicht nur das: Sie müssten außerdem in der Lage sein, zu erklären, was die Ethik jeweils mit ihrem eigenen Fach – z.B. Personalmanagement oder Finanzwirtschaft – zu tun hat und wie sich die verschiedenen Perspektiven vermitteln lassen. Aus meiner Sicht gibt es gute Argumente für eine solche Integration – nicht nur weil Ethik für sich genommen wichtig ist, sondern auch weil die wirtschaftliche Praxis ohne bestimmte ethische Grundsätze gar nicht denkbar wäre. Ich habe vor kurzem in einem gemeinsamen Aufsatz mit dem ehemaligen Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin für genau diese These argumentiert.
Die Praxis zeigt, dass es möglich ist, Wirtschaft und Ethik in einem Studium zu vereinen. Der Studiengang Philosophie Politik Wirtschaft (PPW), den ich an der LMU München leite, ist ein Beispiel dafür. Aber machen wir uns nichts vor: Es ist eher unwahrscheinlich, dass dieses Modell zur Regel wird. Studierende, die ihren Horizont erweitern wollen, werden wohl auch in Zukunft auf Zusatzangebote wie das Wirtschaftsethik-Seminar des ZfS angewiesen sein.
ZfS: Was wünschen Sie sich für Ihr Seminar?
Mukerji: Ich wünsche mir vor allem zufriedene Teilnehmerinnen und Teilnehmer und viele Geistesblitze – gerne auch einige davon für mich!
Zur Person: Nikil Mukerji ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Philosophie IV (Prof. Nida-Rümelin) der LMU München. Außerdem ist er Geschäftsführer des transdisziplinären Executive M.A.-Studiengangs Philosophie Politik Wirtschaft (PPW) der LMU München und freiberuflicher Berater für das Institut für Argumentation in München.
Das Seminar „Wirtschaftsethik“ findet am 16./17. Januar statt. Interessierte können sich auf die Warteliste schreiben.
Kategorie(n): Unkategorisiert, Zentrum für Karriere und Kompetenzen
Dieser Artikel wurde verfasst von Zentrum für Karriere und Kompetenzen.
Letzte Kommentare