Konfliktmanagement = professionelles Streiten?

Veröffentlicht von am 8.06.2016, 15:27 | Kommentar

Konfliktmanagement = professionelles Streiten? Ob zu Hause in der Familie, an der Universität oder im Beruf – überall kann es zu Auseinandersetzungen kommen: Meinungsverschiedenheiten mit den Eltern, unterschiedliche Ansichten zum Referatsthema oder  Kommunikationsprobleme zwischen Abteilungen. Doch wie löst man diese Konflikte am effektivsten für alle Beteiligten? Privat hilft es oft, sachlich zu bleiben und sich in Ruhe zu besprechen oder eine dritte Person als Vermittler dazu zu holen. Im beruflichen Kontext hat sich dafür das professionelle Konfliktmanagement mit Konfliktberatung und Mediation durchgesetzt, was ähnlichen Prinzipien folgt. Mediation bezeichnet dabei ein strukturiertes und freiwilliges Verfahren zur konstruktiven Beilegung eines Konfliktes, bei der eine neutrale dritte Partei den Lösungsprozess begleitet. Durch zunehmende Internationalisierung und allgemeine Migrationsbewegungen kommt es heute sowohl privat, im Studium oder auch beruflich immer häufiger zu interkulturellen Konfliktsituationen, bei deren Lösung zusätzlich kulturelle Unterschiede berücksichtigt werden müssen.

Herr Dr. Hendrik Fenz ist unter anderem Leiter des Büros für Mediation, Coaching und Systemdesign in Freiburg sowie Mitgesellschafter von STADT LAND PLUS, einer Kommunikations-Beratung. Er begleitet Unternehmen und Organisationen im Konfliktmanagement und bei Veränderungsprozessen, ist Trainer für interkulturelle Konfliktkompetenz und forscht zu Friedens- und Konfliktthemen in islamisch geprägten Regionen. Am Zentrum für Schlüsselkompetenzen (ZfS) hält er das Seminar „Interkulturelles Konfliktmanagement“, bei dem Studierende beispielsweise verschiedene Kommunikationsmodelle und ihre eigenen Konfliktmuster kennen lernen und vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsdebatte auf unterschiedliche Formen von Konfliktverständnis eingehen. Wir haben mit Herrn Fenz über seinen vielseitigen Werdegang und darüber, was die Studierenden in seinem Seminar erwartet, gesprochen.

ZfS: Herr Dr. Fenz, Sie haben Management und Organisationsentwicklung in Berlin studiert und dann sozialpädagogische Arbeit mit Jugendlichen gemacht. Wie kam es dazu, dass Sie anschließend Turkologie, Ethnologie und Lateinamerikastudien in Hamburg, Berlin, Istanbul und Izmir studiert haben?

Hendrik Fenz: Ja, die Kombination erstaunt in der Kürze auch mich. Beginnen wir von vorn: Das erste (Teil-)Studium war Mitte der 80er Jahre noch in der DDR. Damals hieß das Sozialistische Wissenschaftstheorie und -organisation. Übersetzt ins 21. Jahrhundert eben Management und Organisationsentwicklung. Mir war das zu wenig greifbar; ich habe das Studium geschmissen um über Jahre in Jugend- und Kulturzentren Veranstaltungen zu organisieren, mit und für Jugendliche (Lebens-)Räume zu schaffen – ein ums andere Mal argwöhnisch von Stasi-Getreuen beobachtet.
Das lief irgendwann routiniert und professionell – ich selbst suchte nach einer neuen Aufgabe. Und habe mich mit Türkisch, Ethnologie und Lateinamerika-Studien für eine Kombination entschieden, die doch recht wenige Überschneidungen aufwies. Die Neugier auf fremde Sprachen hielt sich über das Studium, die Promotions- und Habilitationszeit. Da mag der Fall der Mauer mit reingespielt haben, auch die Lust auf (mir) unbekannte Länder und deren Menschen.
Außerdem: Ich bin in Berlin aufgewachsen, habe lange in Hamburg gelebt und arbeite nun in Freiburg als Mediator und Coach – allein das reicht schon für genügend interkulturelles Potential.

ZfS: Durch Ihre beruflichen Erfahrungen haben Sie also die idealen Voraussetzungen, das Seminar „Interkulturelles Konfliktmanagement“ zu geben. Was lernen die Teilnehmenden in Ihrem Seminar und wie berücksichtigen Sie dabei die aktuelle Flüchtlingsdebatte?

Fenz: Der Impuls für interkulturelles Konfliktmanagement kommt auch noch aus einem Forschungsprojekt über Kurdistan (Nordirak), wo ich über islamische Konfliktlösungsmodelle gearbeitet habe.
Konfliktmanagement im eigenen kulturellen Kontext ist ja schon nicht einfach, wenn dann noch die interkulturelle Dimension hinzukommt, mit ihren verschiedenen Werten und Vorstellungen von Gesellschaftsmodellen – dann möchte ich hierfür sensibilisieren. Die Teilnehmerinnen und Teilnemer erarbeiten sich Wissen über islamische Modelle der Konfliktklärung, erproben geeignete Interventionen in eigenen Alltags-Situationen, erleben, wie hiesige – deutsche – Konfliktstrategien funktionieren und verstehen, mit fremden Werten und Normen umzugehen und in die Beziehung zu eigenem Verhalten zu setzen.
Schauen wir dann auf die Situation Geflüchteter, viele davon aus Kriegsgebieten in Syrien, Irak, Afghanistan, dann ist das klassische islamische Modell, Konflikte zu regeln, schon jetzt hiesiger Alltag. Für Nachbarn und  Haupt- und Ehrenamtliche, für Kommilitonen und in der Verwaltung ist Hintergrundwissen und Selbsterfahrung eine Unterstützung im Umgang mit bislang unbekannten Verhaltensweisen.

ZfS: Wie lernen Studierende, theoretische Konzepte und Methoden praktisch anzuwenden, um so beispielsweise am Arbeitsplatz mit interkulturellen Konfliktsituationen umgehen zu können?

Fenz: Das Selbstverständnis zu schärfen, wie wir in Konfliktsituationen agieren und reagieren, ist ein Punkt im Seminar. Ein anderer, Werte und Normen meiner und fremder Gesellschaften bzw. sozialer Gruppen zu hinterfragen. Das passiert über konkrete Beispiele (Simulationen und Rollenspiele) um ins „Erleben“ zu kommen. Wer in internationalen Teams arbeiten möchte oder im Ausland, wird beständig mit Stereotypen umzugehen lernen müssen. Das beginnt bei konkreten kultur- und regionalspezifischen Verhaltensweisen bis hin zu deren systemischer Einordnung.

ZfS: Nennen Sie uns bitte drei Gründe, warum die Studierenden Ihr Seminar belegen sollten.

Fenz: Da gibt es einige zu nennen: Realitätsnähe, Praxisbezug, Selbsterfahrung, kulturspezifisches Hintergrundwissen.
Hinzu kommt, dass ich als Mediator das Seminar auch aus der Sicht (und der Haltung) eines Profis für (internationale) Konfliktklärung durchführe.

ZfS: Was wünschen Sie sich für Ihr Seminar?

Fenz: Da gibt es genau drei Elemente: Lust aufs Ausprobieren, Aha-Effekte, eigene Erfahrungen, die die Teilnehmenden beizusteuern bereit sind.

ZfS: Vielen Dank für das Gespräch!

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Dieser Artikel wurde verfasst von Zentrum für Karriere und Kompetenzen.

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