Wissenschaftliches Schreiben an der Juristischen, Wirtschaftswissenschaftlichen und Philosophischen Fakultät

Veröffentlicht von am 16.06.2017, 12:47 | Kommentar

An der Universität Passau wird für jede Fakultät mindestens ein Seminar zum wissenschaftlichen Schreiben angeboten. Wir haben mit den Dozierenden über die Inhalte und Besonderheiten an der jeweiligen Fakultät gesprochen.

Studenten in der Universitätsbibliothek

Juristische Fakultät

Kellerer: Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Sprachregel für das juristische Schreiben?  

Dr. Oliver Gerson: Das Besondere an der juristischen Fachsprache liegt darin, dass sie zwar zumeist eigene Fachbegrifflichkeiten verwendet, zugleich jedoch sehr viele Worte und Wendungen der Alltagsprache „entlehnt“ und mit einer spezifischen Bedeutung „auflädt“. Das „Juristendeutsch“ (gemeint ist damit nicht der verschachtelte „Bürokratensprech“) verwirrt den „Uneingeweihten“ (sprich: den Laien) vor allem deshalb, weil er zwar die verwendeten Begriffe aus seiner Alltagssprache zu kennen glaubt, gerade aber ihre spezifische fachsprachliche Bedeutung quasi „unerkannt unbekannt“ verbleibt und damit sehr oft aneinander vorbei gesprochen wird. Die wichtigste Sprachregel für das juristische Schreiben ist daher das Erlernen der korrekten Fachtermini, denn ohne diese ist eine Arbeit mit und im Recht nicht sinnvoll möglich. Die verwendete Sprache muss dabei fortwährend klar, strukturiert und präzise sein, was neben korrekten Fachbegriffen auch enorme Stringenz und Disziplin der Gedankenführung abverlangt. In der schriftlichen Arbeit wird diese Fähigkeit zur nachvollziehbaren Illustration des „roten Fadens“ quasi zur Perfektion getrieben.

Kellerer: Wo liegen die größten Fehlerquellen beim Gutachtenstil bzw. was fällt Studierenden dabei besonders schwer?

Dr. Gerson: Viele Studierende tun sich zu Beginn deshalb schwer mit der Verwendung des sog. Gutachtenstils, weil ihnen oftmals das Verständnis für Sinn und Funktion seines Einsatzes fehlt. Er wird daher entweder eher lustlos betrieben oder an falscher Stelle exzessiert. Der Gutachtenstil darf allerdings keinesfalls als Schikane oder gar als „Kettenhemd“ missverstanden werden, der die Darlegung juristischer Überlegungen möglichst kompliziert und sperrig ausgestaltet. Vielmehr handelt es sich um eine Denk- und Darstellungsform, die Antworten auf juristische Fragestellungen sachgerecht aufbereiten soll. Die dem Juristen dargebotene Fallfrage (z. B. „Kann A Herausgabe der Vase verlangen?“) verlangt eine stets am Gesetz orientierte, kleinschrittige und nachvollziehbar begründete Lösung anhand des konkret vorliegenden/erarbeiteten Sachverhaltes. Durch die Verwendung des Gutachtenstils wird der Bearbeiter gedanklich gezwungen, die „richtigen Fragen“ zu stellen; denn durch rechtsfolgenorientierte Obersätze, die korrekte Verwendung der erlernten Fachbegriffe, klare und aussagekräftige Definitionenwiedergabe sowie die Subsumtion (d.h. den sprachlogischen Schluss, der zeigt, ob das Lebensmerkmal wirklich unter das konkrete Tatbestandsmerkmal, gestellte Frage [Obersatz] und die konkretisierende Definition passt), kann der Bearbeiter zu einer vertretbaren Lösung gelangen. Nur wer sich der Funktion des Gutachtenstils/Urteilsstils als Darstellungs- und Denkmethode (griech. methodos: „Weg zu einem Ziel“) bewusst wird, kann Fehlerquellen in seiner Verwendung und damit auch in der eigenen Arbeitsweise erkennen.

Philosophische Fakultät

Kellerer: Worin unterscheidet sich das Seminar „Schreibprojekt Abschlussarbeit für Studierende der Philosophischen Fakultät“ von dem Grundlagenseminar des wissenschaftlichen Schreibens für Studierende der Philosophischen Fakultät genau?

Lukas Gernand: Im Wesentlichen werden im Seminar zu Abschlussarbeiten Basiskenntnisse wissenschaftlichen Schreibens –Literaturrecherche, Zitations- und Belegregeln – vorausgesetzt und ohne eigens dafür ausgerichtete praktische Übungen nur kursorisch wiederholt. Wichtig sind im Abschlussprojektkurs die Vermittlung und praktisch begleitete Heranführung an die spezifischen Erfordernisse der Anfertigung von Abschlussarbeiten: Umgang mit Schreibblockaden, Zeit- bzw. Selbstmanagement, Arbeitsschritteplanung. Darüber hinaus wird eine kurze Einführung in qualitative und quantitative empirische Methoden gegeben, da diese in den meisten Fällen den Unterschied zu einer gewöhnlichen Haus- bzw. Seminararbeit ausmachen.

Kellerer: Welche Besonderheiten gibt es beim wissenschaftlichen Schreiben, die speziell für die Philosophische Fakultät gelten?

Gernand: Die Heterogenität der Fächerkulturen macht sicher die Besonderheit des wissenschaftlichen Schreibens an der Philosophischen Fakultät aus. Ich vermittle einen gewissen Standard in den Seminaren, dennoch verweise ich auch immer darauf, sich in gewissen Punkten, z.B. genaue Bibliographie- oder Zitationsregeln, mit der jeweils zuständigen Betreuungsperson rückzuversichern. Neben inhaltlichen sollten dabei auch formale Erwartungen geklärt werden, soweit dies durch Vorabpropädeutika o.ä. nicht schon geschehen ist. In der Philosophischen Fakultät der Universität Passau ist eine Vielzahl von verschiedenen Fächern zusammengefasst: von historischer Kulturwissenschaft über Journalistik hin zu Soziologie und Literaturwissenschaft oder Geographie. Diese haben ihre eigenen Publikations- und daher auch Schreibkulturen und -stile, deren Eigenarten man nicht in einem einzigen Kurs für alle vermitteln kann. Genau darauf aber hinzuweisen, also das diesbezügliche Bewusstsein zu schärfen und dennoch ein allgemeines Set übergeordneter Strukturen wissenschaftlicher Texte und universelle Hilfestellungen zu ihrer Erzeugung zu vermitteln, dies leisten die Seminare.

Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Kellerer: Wann sollten Studierende der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Ihr Seminar zum wissenschaftlichen Schreiben besuchen? 

Tristan Wimmer: Das Seminar „Wissenschaftliches Schreiben für Studierende der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät“ vermittelt die notwendigen Grundlagen zum Anfertigen von wissenschaftlichen Arbeiten an der Fakultät. Ich würde daher einen Besuch vor dem Anfertigen einer Seminararbeit im Bachelor empfehlen. Hierdurch haben die Studierenden die Möglichkeit, zielgerichteter an die Seminararbeit heranzugehen und sich auf den Inhalt zu konzentrieren.

Kellerer: Gibt es ein Seminar, das sich an Studierende wendet, die bereits eine Seminararbeit geschrieben haben?

Wimmer: Für das Wintersemester 2017 ist ein Aufbauseminar für fortgeschrittene Bachelorstudierende und Masterstudierende geplant. Kernthemen werden unter anderem empirisches Arbeiten und Strukturgleichungsmodelle sein.
Kellerer: Was sind die Schwerpunkte in Ihrem Seminar und wie wichtig ist empirisches Arbeiten für wirtschaftswissenschaftliches Schreiben?
Wimmer: Grundsätzlich ist es Ziel des Seminars „wissenschaftliches Schreiben für Studierende der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät“, die Grundlagen für eine gute wissenschaftliche Arbeit zu vermitteln. Hierzu zählt zunächst die Literaturarbeit (Wie finde und bewerte ich Literatur?), Prinzipien guten wissenschaftlichen Schreibens und der Aufbau der Arbeit. Ein weiterer Schwerpunkt liegt darin, dass Studierende verstehen, was eine Zielsetzung ist, welche Funktion sie hat und wie sie von einer Themenstellung zu einer guten Zielsetzung kommen. Abschließend lernen die Studierenden, wie Sie aus Ihrer Zielsetzung einen ersten Gliederungsentwurf ableiten können.
Innerhalb meines Fachbereichs der Wirtschaftsinformatik kann eine steigende Bedeutsamkeit von empirischen Arbeiten verzeichnet werden. Insbesondere im Master findet man zunehmend empirische Abschlussarbeiten. Auch das Interesse von Studierenden daran hat zugenommen. Viele Studierende möchten kein reines Literatur Review schreiben, sondern zum Beispiel Theorien mittels eines Datensatzes untersuchen.

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Dieser Artikel wurde verfasst von Zentrum für Karriere und Kompetenzen.

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