Als Lehrkraft Stärke in Krisen beweisen: Interview mit Josef Zimmermann, Traumapädagoge und Seelsorger

Veröffentlicht von am 6.09.2019, 17:07 | Kommentar

Josef Zimmermann ist Diplom-Theologe und langjähriger Seelsorger für Menschen in allen Lebensphasen. „Seit 15 Jahren bin ich Mitarbeiter in der Krisenseelsorge im Schulbereich und gebe Unterstützung für Menschen, die mit dem Tod in Berührung kommen.“ Durch Weiterbildungen qualifizierte er sich zum Traumapädagogen und Traumazentrierten Fachberater, zudem ist er zertifizierter Ehe-, Familien- und Lebensberater. Sein ZKK-Seminar „Trauma und Trauer: Handlungskompetenzen für Lehrkräfte“ wird auch im kommenden Wintersemester wieder angeboten.

 

 

ZKK: Wie ist Ihre Einschätzung – wird in Schulen mit Trauma und Tod angemessen umgegangen oder ist dies immer noch ein Tabu-Thema?

Josef Zimmermann: Der Tod ist ein belastendes Ereignis, gerade auch für junge Menschen. Der Umgang mit Tod und Trauer und die Begleitung von Schülerinnen und Schülern ist in den letzten 15 Jahren stark in den Blick von Lehrkräften gerückt. Gerade Großschadensereignisse haben das Thema aus dem Tabubereich herausgeholt. Jede Schule besitzt einen Krisenplan und ein Krisenteam. Wenn sich an einer Schule ein Todesfall ereignet, ist jedoch die Betroffenheit aller so groß, dass es angebracht sein kann, sich Hilfe und Unterstützung von außen zu holen. Es hat sich also viel getan in diesem Bereich: Lehrkräfte gehen sehr sensibel mit dieser Thematik um, sind aber oft aufgrund von eigenen Erfahrungen schwer belastet. Wir geben durch unsere Unterstützung zunächst einen sicheren Rahmen, um dann eine weitere Auseinandersetzung mit belastenden Ereignissen zu ermöglichen.

ZKK: Was bedeutet Trauma und Trauer im schulischen Kontext? Auf welche Situationen müssen sich Lehrkräfte einstellen?

Zimmermann: Lehrkräfte müssen sich darauf einstellen, dass sie oft die ersten Ansprechpartner für Kinder und Jugendliche sind. Sie müssen viel auffangen und aushalten: Erstreaktionen, Gefühle der Trauer und Wut, Verhaltensänderungen. Daher ist es gut, sich mit der Thematik Tod und Trauer bereits im Vorfeld auseinanderzusetzen, um gewappnet zu sein, wenn dann tatsächlich etwas passiert. Eine geeignete Strategie hierfür ist vielleicht eine Art „Notfallkoffer“. Da gehören nicht nur Kerze und Kreuz, Bücher, Tücher, Steine hinein, sondern auch die eigene Haltung. Sich selbst seiner eigenen Stärken und Ressourcen zu erinnern, ist sehr hilfreich in Situationen, wo man anderen Halt und Stütze sein muss.

ZKK: Welche Handlungsvorschläge haben Sie für Lehrerinnen und Lehrer, wenn diese Situationen eintreten?

Zimmermann: Lehrkräfte, die akut mit einem Todesfall zu tun haben, sollten immer im Team arbeiten. Bevor ich mit meiner Klasse rede und versuche, den Tag zu überstehen, muss ich mir meiner verschiedenen Rollen bewusst sein. Zum einen bin ich Koordinator: Ich leite, delegiere, behalte den Überblick und bin Kontaktperson. Zum anderen informiere ich aber auch darüber, was geschehen ist und sorge für Klarheit und Sicherheit. Wichtig ist es, Raum zu geben für Erinnerung und Trauer, aber auch Unterstützung zu leisten, um aus der Lähmung heraus ins Handeln zu kommen. Letztlich beobachte ich, bleibe in Kontakt und begleite sensibel und bedarfsorientiert. Dabei muss mir aber bewusst sein, dass ich es immer nur so gut mache, wie ich es kann.

ZKK: Sie sagen, „so gut machen, wie man es kann“ – Wie viel kann eine Lehrkraft in dieser Hinsicht leisten? Wo gibt es Grenzen?

Zimmermann: Eine Lehrkraft ist die Bezugsperson für das Kind und steht daher mit dem ganzen schulischen System, für Stabilität, Sicherheit und Ordnung. Vieles können Lehrkräfte hier auffangen und bewältigen – vor allem auch durch das Gewährleisten von schulischem Alltag. Geht eine Situation jedoch soweit, dass es zu einer traumatischen Erfahrung mit Belastungsreaktionen, also ein psychischer Zusammenbruch, kommt, sollte unbedingt ein Fachdienst dazu geholt werden.

ZKK: Was haben die Teilnehmenden in Ihrem Seminar zu erwarten?

Zimmermann: Im Seminar geht es zunächst um die eigenen Erfahrungen mit Tod und Trauer. Wir schauen, was in der eigenen Erfahrungswelt hilfreich und störend war und versuchen dann, dies auf die Begleitung von jungen Menschen umzusetzen. Außerdem wird erklärt, wie Körper und Gehirn bei belastenden Ereignissen reagieren – wir beschäftigen uns also auch mit Psychotraumatologie. Ganz konkret wird dann anhand eines Fallbeispiels erarbeitet, wie mit einem Todesfall in der Schule und in der Klasse gearbeitet werden kann. Dabei werden vor allem auch die eigenen Ressourcen in den Blick genommen, die dabei helfen, selbst festen Boden unter den Füßen zu spüren. Hierzu gibt es praktische Körperübungen mit anschließendem Austausch. Das Seminar wird mit Kurzfilmen zur Thematik bereichert und aufgelockert.

ZKK: Herzlichen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch.

 

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Dieser Artikel wurde verfasst von Zentrum für Karriere und Kompetenzen.

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