Nochmal auf Deutsch, bitte. Studentenweisheiten III

Veröffentlicht von am 14.07.2010, 19:35 | Kommentar

Könnt ihr mir auf Anhieb sagen, was das Wort „Interdependenz“ bedeutet? Na, wahrscheinlich schon. Nein? Kein Problem. Zum Glück wird es ja in den Unterlagen zu unseren Vorlesungen erklärt: Interdependenz ist ein „Beziehungsmuster zwischen staatlich verfassten Gesellschaften, das sich durch eine hohe Interaktionsdichte auszeichnet, deren Beschneidung mit erheblichen Kosten für beide Seiten verbunden wäre.“. Aha. Super Idee: ein Fremdwort durch ein Fremdwort ersetzen. Aber was versucht uns diese Definition zu sagen? Doch nur Folgendes: Zwei Staaten handeln oft gemeinsam. Wenn sie damit aufhören, müssen beide extrem viel Geld zahlen. So einfach kann es sein. Oder ist das vielleicht unter unserem Niveau? Und wenn wir gerade dabei sind: Wieso überhaupt Interdependenz? Wieso nicht „gegenseitiger Abhängigkeit“?

Gerade eben auf der Straße redeten wir Studierende noch in einer Sprache, die auch die Frau mit dem Realschulabschluss verstehen konnte. Doch kaum betreten wir unseren hübschen Campus, legen wir diese Nettigkeit sofort ab. Eine Universität muss so etwas wie eine andere Nation sein. Denn andere Nationen sprechen andere Sprachen, richtig? Doch beharren wir nicht selbst immer wieder darauf, dass wir ein Teil dieser Gesellschaft sind? Vielleicht ein wichtiger Teil, aber eben doch nur ein Teil, so wie jeder andere auch. Wir dürfen studieren, wir dürfen uns Wissen über Themen unserer Wahl anreichern. Das ist wundervoll, keine Frage. Doch wir Studierenden sind keine besseren Menschen. Ich habe manchmal das Gefühl, dem ein oder anderen Professor, Dozent oder Kommilitone ist das entfallen. Staaten müssen nicht unbedingt als „risikoavers“ bezeichnet werden. (Übrigens ein Wort das nicht einmal die Rechtschreibprüfung von Office kennt.) Sie könnten sich auch lediglich „für die sicherere Alternative entscheiden“.

Deshalb liebe Freunde der Akademiker-Sprache, lasst uns eine Gedenkminute veranstalten. Eine Minute Stille für all diejenigen, die von einer Karriere als Autor träumen. Aus ihnen könnte mal etwas werden, würde das Studium ihre Ausdrucksweise nicht komplett zerstören. Eine Minute Stille für die Erstsemester, die dachen sie wechseln nur den Wohnort. Ihr werft sie einfach ins kalte Wasser und redet mit ihnen in einer Sprache, die sie nicht verstehen. Denn es tut mir leid, ich stamme leider aus keinem Akademiker-Elternhaus. Ich habe eure Sprache nicht mit der Muttermilch aufgesogen. Da schafft es mal der ein oder andere Abiturient, als erster in seiner Familie ein Studium zu beginnen. Doch er scheitert an der Sprache. Das kann es doch nicht sein. Das nennt man soziale Auslese, um es mit euren Worten auszudrücken. Und wofür erwerben wir denn all dieses Wissen hier? Doch nicht einzig und allein um uns in unseren Akademiker Clubs daran zu erfreuen, oder? Vielleicht wird das Erlernte ja sogar eines Tages den Menschen in unserer Gesellschaft etwas nützen. Sicher würde es das, könnte sie es denn verstehen.

Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich nach einem universitären Martin Luther sehne. Der könnte dann all die interessanten Dinge, die wir hier erarbeiten, im Handumdrehen zurück in die Sprache des Volkes übersetzen. Aber sind wir denn nicht auch Teil des Volkes? Stehen wir nun schon über den „einfachen Leuten“, so wie damals die Geistlichen? Keine Angst: Ich möchte nicht übertreiben, ich möchte niemanden anklagen. Das Mittelalter ist vorbei. Es geht hier immer noch „nur“ um Sprache. Für viele klingt das vielleicht banal. Doch Sprache ist immerhin die beste Art um sich zu verständigen. Gerade da sollten wir uns am wenigsten abheben. In diesem Sinne: Seht’s ein, Leute: Wir sind nicht so toll, wie wir denken 😉



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Dieser Artikel wurde verfasst von Sunita Sukhana.

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