Ein Leben für die Leistung

Veröffentlicht von am 17.01.2011, 19:20 | Kommentar

Sie hätte diesen Satz nicht sagen sollen. Ohne wäre es doch auch gegangen. Auf einmal springen 60 Prozent der Studierenden auf und verlassen den Hörsaal, der eben noch bis auf die Treppen gefüllt war. Getrieben durch die Worte „Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass der Inhalt dieses Films natürlich nicht prüfungsrelevant ist“. Auch die übrigen paar Menschen verlassen nach und nach den Raum.

Schaut man sich die Statistiken an, wurde die Quote derer, die länger als Regelstudienzeit studieren immer kleiner, die Zahl jener aber, die es innerhalb der vorgegebenen sechs Semester für den Bachelor und vier Semester für den Master schafft, immer größer. Im Schnitt blieben die Frauen vor einigen Jahren sogar drunter, in 5,98 Semestern schafftne sie ihren Bachelor. 30 Punkte im Semester zu machen würde dabei reichen, was etwa sechs Klausuren entspricht. Doch während sich ein Teil der Studierenden in Deutschland und Europa über die zu hohe Belastung beklagt, wird in Passau nur mit dem Kopf geschüttelt, denn hier 40 oder mehr Punkte im Semester zu machen ist keine Seltenheit. Ein Doppelstudium machen viele, Jura und Staatswissenschaften parallel, das müsste doch zu schaffen sein.

„Ein Film hat halt nichts mit Wissenschaft zu tun, ich würde mir den auch nicht anschauen, wenn ich stattdessen ein Buch lesen oder in der Bib sitzen könnte“, meint ein Kommilitone. im Bücherturm von der Zivilisation abgeschottet lernt er für seine neun oder zehn Klausuren. Dass Wissenschaft doch aber nicht nur aus Büchern und Vorlesungen bestehe, entgegne ich; er meint: „Aber auch nicht nur aus Filmen“. Es ist sinnlos.

Die Motivation, nicht länger als nötig zu studieren stammt nicht etwa aus dem finanziellen Aspekt: Dass Bafög-Empfänger nur innerhalb der Regelstudienzeit Geld bekommen, stimmt. Aber Passau ist die Uni mit der niedrigsten Bafög-Empfängerzahl weit und breit, (hat daher die höchsten Mensapreise) also ist dieser Faktor nicht maßgebend. Stattdessen ist es eine sich selbst reproudzierende Leistungserwartung. Von Generation zu Generation werden die Anforderungen weitergegeben, in der Blase der Universität verliert man so schnell den eigenen Kopf, und passt sich an.

„Rythm is it“, ein Film über Motivationsfähigkeit junger Menschen, darüber seinen eigenen Weg zu gehen und auch dann durchzuhalten, wenn andere den Druck aufbauen, fasst auf seltsam zynische Weise zusammen, was in Passau scheinbar in genau umgekehrter Weise passiert. Es geht um Motivation, andere Wege zu gehen; Belastungen zu überwinden, Änderungen zuzulassen – an sich selbst zu glauben, auch wenn andere Menschen uns einzureden versuchen, wir müssten uns anpassen. Der entsprechende Dozent wird ihn wohl bewusst ausgewählt haben, sonst hätte er ihn nicht drei Übungsstunden vor der ABWL-Klausur zeigen lassen. Leider kommt davon nicht so viel an, wie möglicherweise beabsichtigt. Selbstreflektion muss man nicht lernen. Es ist ja schließlich nicht klausurrelevant.

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Dieser Artikel wurde verfasst von Helena Bennett.

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