Der Kampf gegen Windmühlen I : Anwesenheitspflicht

Veröffentlicht von am 31.01.2011, 23:24 | Kommentar

Vor etwas über einem Jahr schaffte der Bildungsstreik in Passau, was an kaum einer Uni in Europa erreicht wurde; Die Studierenden stellten im Zuge ihrer 24 Stunden Besetzung Forderungen auf, die prompt am nächsten Morgen vom Präsidenten Schweitzer beantwortet wurden – mit seiner Unterschrift versprach er, sich um die geforderten Veränderungen zu kümmern. Darunter war auch das Thema der Anwesenheitspflicht.

„In dem Alter, in dem wir Studierende sind, hier an der Uni, sollte man uns doch zutrauen, dass wir selbst entscheiden können, welche Veranstaltung wir besuchen, und welche nicht. Wir sind nicht mehr in der Schule, wo für uns entschieden werden muss, sondern wir sind an der Uni. Wenn wir uns entscheiden nicht zu einer Sitzung zu gehen, müssen und werden wir die Konsequenzen tragen. Genau das ist doch wichtig zu lernen. Seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Was lernen wir denn, wenn wir hier alle nur gezwungen werden, uns an völlig vorgegebene Pläne zu halten?“ frage ich in die Runde. „Da liegen Sie falsch.“ ist die Antwort von Professorenseite. Ist das so?

Die Arbeitsgruppe Bologna-II wurde nach dem Bildungsstreik gegründet, weil vier junge Menschen ihre Ideale bis zuletzt verfolgten und an die Versprechungen des Präsidenten glaubten. Studierende und Professoren befassten sich in vielen Stunden an Sitzungen, an Vor- und Nacharbeit mit den kontroversen Themen von Workload und Prüfungswiederholung, von Mobilität und flexibleren Studienzeiten – und von Anwesenheitspflicht. Im Sommersemester 2010 war damals, so schien, entschieden worden, dass die Anwesenheitspflicht für alle Veranstaltungen aufgehoben ist. Damit wurde den Studierenden die freie Entscheidung gegeben, ihre Bildung selbst zu bestimmen, den Weg dorthin und den Inhalt, die Intensität und die Konsequenz.

„Aber ein Seminar lebt doch von der Diskussion, die muss gewährleistet sein. Ich kenne das ja auch aus meinen Zeiten.“ heißt es von Seiten der Hochschulleitung. Wir entgegnen, dass reine Anwesenheit aber noch lange keine Diskussion hervorbringt, dass doch eher die Frage ist, warum der Dozent oder die Dozentin nicht fähig ist, die Leute auch so dazu zu bringen, zu den Sitzungen zu kommen. Aber wir beißen auf Stein.

Die Frage, die sich stellt, schwebt mir noch immer im Kopf, als wir nach zweieinhalb Stunden Diskussion den Raum verlassen. Was soll hier erreicht werden? Welches Menschenbild verfolgt eine Universität, die davon ausgeht, dass die Studierenden nicht freiwillig kommen? Als ich die Frage ein paar Minuten vorher gestellt hatte, herrschte nur betretenes Schweigen.

Und: Wenn wir in Zukunft wieder gewzungen werden, bei jeder Sitzung eines Seminars anwesend zu sein, macht es die Qualität der Lehre nicht beliebig? Müsste man mit (zumindest gefühlt wieder eingeführter) Anwesenheitspflicht nicht auch eine Evaluation JEDER Veranstaltung heranziehen, die zudem für jeden zugänglich sein sollte? Kann im Moment schlechte Lehre nicht durch den reinen Zwang, an der Veranstaltung teilzunehmen, und damit eine hohe Zahl regelmäßiger Teilnehmer überdeckt werden?

Was uns die Hochschulpolitik lehrt: Idealismus  und Humanismus zählen nichts, denn sie sind nicht ökonomisch verwertbar. Was erwartet wird, ist die Unterordnung unter das System, ist rein taktisches Denken. Sich in die Zahlengefüge einzuordnen. Ließe man die Anwesenheitspflicht wegfallen, sähen die Statistiken dann vielleicht anders aus? Wer weiß das schon. Niemand. Aber es ist auch nicht wichtig.

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Dieser Artikel wurde verfasst von Helena Bennett.

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