Offener Brief zur Sperrzeitenproblematik (Studierendenvertretung)

Veröffentlicht von am 25.07.2012, 14:01 | 1 Kommentar

Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,

Wir, die Studierendenschaft der Universität Passau, würden Ihnen gerne mitteilen, wie wir zu der im Ausschuss für Ordnung abgestimmten Sperrzeitverlängerung stehen. Zudem möchten wir zu den dort genannten Argumenten und Beispielen, die für eine Sperrzeitverlängerung sprechen, Stellung beziehen.

Zunächst möchten wir jedoch unterstreichen, dass wir die Ruhestörungen nicht begrüßen und das Recht der Anwohner und Anwohnerinnen auf Lärmschutz unterstützen möchten. Es gibt einen äußerst geringen Teil der Bevölkerung, der nachts den Lärmpegel in den Straßen über das Erträgliche steigen lässt oder gewalttätig wird. Für uns gilt auch der Grundsatz: Jede Körperverletzung ist eine Körperverletzung zu viel! Andererseits greift eine Sperrzeitverlängerung in die Freiheit aller Passauer Bürger und Bürgerinnen ein. Wir verstehen also das Problem, vor dem Sie als Stadträtinnen und Stadträte stehen.

Wir denken allerdings, dass eine Verlängerung der Sperrzeit weder das Problem des erhöhten Geräuschpegels lösen wird, noch dass die Gewaltübergriffe entschieden vermindert werden können. Durch die Verlängerung der Sperrzeit würden Sie jedoch jeden Mitbürger und jede Mitbürgerin, die nachts gerne länger ausgehen, bestrafen und nicht die, die für die Ruhestörungen und Gewaltübergriffe verantwortlich sind

Wenn die Lokale und Diskotheken in Passau alle unter der Woche um 2 Uhr und am Wochenende um 3 Uhr schließen müssten, könnten Sie sich sicher sein, dass es zu den erzwungenen Schließzeiten zu Ruhestörungen kommen wird. In jeder Nacht, in der große Gruppen gleichzeitig die Lokale verlassen, würde es zu einer Art „Völkerwanderung“ kommen. Wenn die Bürger und Bürgerinnen in kleinen Grüppchen anstatt als großer Block nach Hause gehen, ist dies bedeutend leiser.

Die frühere Schließung der Lokale wird leider nicht zwangsläufig etwas an der Bereitschaft eines gewaltbereiten Mitbürgers oder einer gewaltbereiten Mitbürgerin ändern, sondern diese eventuell sogar verstärken, da die Betroffenen sich in ihrer Freiheit eingeschränkt, beziehungsweise sich durch das gezwungene Verlassen des Lokals genötigt fühlen. Die im Ordnungsausschuss als Positivbeispiel angeführte Stadt Erlangen soll im Rahmen einer Sperrzeitverlängerung die Gewaltübergriffe um 15% gesenkt haben. Das wäre in Passau, wenn wir von ungefähr 130 Körperverletzungen pro Jahr ausgehen, eine Verbesserung von 20 Verletzungen weniger. Die Verbesserung wäre zu begrüßen, jedoch stellt sich die Frage, ob die Einschränkung der persönlichen Freiheit mit diesen Umständen abwägbar ist. Das Problem wäre bei ungefähr 110 Körperverletzungen jährlich, die weiterhin die Statistik belasten, nicht gelöst. Ferner ist der Kausalzusammenhang zwischen einer Sperrzeitverlängerung  und einem Rückgang von Gewaltdelikten nicht eindeutig belegbar. Zudem stellt sich die Frage, ob der statistische Rückgang allein im Zusammenhang mit Gewaltdelikten steht, die einem erhöhten Alkoholkonsum zur späten Stunde zuzuschreiben sind.

Als zweites Beispiel wurde die Stadt Bamberg genannt. In Bamberg haben die Lokale und Diskotheken Mittel gefunden, die Sperrzeit zu umgehen. Lokale und Diskotheken können ihr Abendprogramm als Kulturveranstaltung präsentieren oder ab einer gewissen Uhrzeit das Etablissement schließen und dann nur noch anwesende Gäste im Rahmen einer geschlossenen Gesellschaft bedienen. Wir würden Ihnen empfehlen, diese Hintertür nicht zu unterschätzen.

Es kann davon ausgegangen werden, dass es zu einem rasanten Anstieg der sogenannten „Privatparties“ kommen wird, welche sowohl die Polizei als auch Nachbarinnen und Nachbarn überfordern würde. Folgerichtig wäre es in der Nähe der Lokale ruhig, dafür würde sich die Lärmbelästigung aber auf das gesamte Stadtgebiet ausweiten. Die vermeintliche Lösung des einen Problems würde ein viel größeres Problem mit sich bringen.

Eine verfrühte Schließung der Lokale provoziert einen nicht unwichtigen Anstieg des sogenannten „Rauschtrinkens“. Die Konsumentinnen und Konsumenten haben einen zeitlichen Fixpunkt vor Augen, bis zu dem sie einen gewissen Alkoholpegel erreicht haben wollen. Wenn sich dem Rauschtrinken viele Mitbürgerinnen und Mitbürger anschließen und dann noch in Massen zur gleichen Zeit die Lokale verlassen, dann wird der Lärmpegel zu fixen Zeiten ein unbekanntes Ausmaß erreichen.

Im Ausschuss für Ordnung war von einem Sicherheitsdienst die Rede. Dieser Sicherheitsdienst hat in der Vergangenheit leider nicht sehr effektiv agiert. Es ist uns ein Anliegen, die Probleme des Sicherheitsdienstes zu evaluieren und ihn zu verbessern. Ein effektiver Sicherheitsdienst könnte dazu führen, dass die Verantwortlichen bestraft werden und nicht alle, die nachts gerne ausgehen. Wir sprechen uns dafür aus, diesen Weg als eine mögliche Alternative zu verfolgen.

Ferner würde eine Sperrzeitverlängerung ausschließlich versuchen, das Symptom zu bekämpfen. Die Ursache, nämlich die Gewaltbereitschaft, wäre damit nicht beseitigt. Es stellt sich die Frage, ob die offensichtliche Einschränkung der Freiheit zu einer deutlichen Verbesserung für die Betroffenen führen würde. Wir denken, dass dies nicht der Fall ist, aber in der Konsequenz die Lebensqualität von vielen verschlechtert würde!

Unser Bürgermeister Urban Mangold hat in der Sitzung des Ausschusses für Ordnung gesagt: „Wir müssen uns entscheiden, ob wir die Bürger im Stich lassen wollen oder nicht.“ Wir möchten Sie ausdrücklich darauf hinweisen, dass es in Passau über 10.000 Studierende gibt. Wir sind nicht nur Studierende, sondern in erster Linie Ihre Mitbürger und Mitbürgerinnen, die Sie wie alle anderen Passauer und Passauerinnen im Stadtrat vertreten. Jeder fünfte Passauer ist ein Studierender! Auch diese Bürgerinnen und Bürger kann man im Stich lassen. Wir bitten Sie, sich einen anderen Weg zu überlegen, den obengenannten Problemen entgegenzutreten. Die Studierendenschaft ist auch bereit, Ihnen bei der Problemlösung zu helfen. Bestrafen Sie die Verantwortlichen und nicht alle!

Es ist uns also ein wichtiges Anliegen, dass Sie dem Antrag bezüglich der Sperrzeitverlängerung nicht zustimmen, sondern eine wirksame Alternative finden, die für alle Seiten nicht nur hinnehmbar, sondern begrüßenswert ist.

Mit freundlichen Grüßen

Felix Speidel – Studentischer Senator    Karin Bugow – Studentische Senatorin
Manuel Grabowski- Fachschaft der Fakultät für Informatik & Mathematik
Viktoria Sauter – Fachschaft der juristischen Fakultät
Karoline Laila Oberländer- Fachschaft der philosophische Fakultät
Maximilian  Karg – Vorsitzender Sprecherinnenrat
Paul Scherer – Vorsitzender des Studierenden Parlaments

 

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Dieser Artikel wurde verfasst von SprecherInnenrat.

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