Hochschulpolitik 2.0: Ökonomisierung der Hochschule

Veröffentlicht von am 29.05.2013, 19:54 | 4 Kommentare
Studierende antworten mit Sartire auf eine Werbeaktion vor drei Semestern

Studierende antworten mit Sartire auf eine Werbeaktion vor drei Semestern

Werbung auf dem Campus, Sponsoring aus der Wirtschaft, Dozierende aus Unternehmen: Hochschulen ähneln heutzutage immer mehr einem Unternehmen als einer traditionellen Bildungseinrichtung. Der Input definiert sich über die Studienanfänger, der Output sind Absolventen. Die Qualität misst sich am späteren Berufserfolg und der Reputation der Hochschule. Ziel ist ein großer Output bei hoher Qualität mit niedrigen Kosten. Man ersetze einige Wörter und erhält die Charakterisierung eines wirtschaftlich handelnden Unternehmens. Gerade Kosten sind ein ausschlaggebender Faktor und die Motivation für zahlreiche Kooperationen mit der Wirtschaft. Jedoch handeln Unternehmen nicht uneigennützig. Vielmehr stehen eigene Interessen im Vordergrund, wodurch die Freiheit der Forschung und Lehre unserer Hochschulen bedroht sein könnte.

Werbung

Am spürbarsten wird die Ökonomisierung für Angehörige der Universität durch Banner und Werbestände im Bereich der Mensa und Cafeten. Der Betreiber der Campusgastronomie, das Studentenwerk Niederbayern/Oberpfalz, vermarktet die Räumlichkeiten an eine Regensburger Werbeagentur namens lautlicht. Lautlicht hat hierdurch freie Hand, Werbung in den entsprechenden Bereichen zu positionieren.

Der bisherige Höhepunkt dieser Vermarktung war eine umfassende Werbeaktion eines magentafarbenen Telekommunikationsanbieters. Aufdringliche Stände verstopften das ohnehin schmale Mensafoyer. Speziell bedruckte Kaffeebecher, riesige Plakate und beklebte Treppenstufen schafften eine penetrant kommerzielle Atmosphäre. Nicht zuletzt deswegen wurde das Thema kurze Zeit später ausführlich im Studierendenparlament diskutiert.

Die Konsequenzen der intensiven Werbevermarktung mussten die Fachschaften bereits spüren. Nach alter Tradition bereiten die Fachschaften für die von ihnen veranstalteten Orientierungswochen sog. Quietschie-Tüten vor. In Kooperation mit lokalen Einzelhandelsunternehmen konnte man in den vergangenen Jahren somit ein nützliches und informatives Paket für alle Studienanfänger schnüren. Seitdem lautlicht speziell das Mensafoyer vermarktet, schwinden die Sponsoren aus dem Passauer Einzelhandel als Kooperationspartner. Die Fachschaften haben nun große Probleme, ihre Tüten zu bestücken und zu finanzieren.

Lehre

Im Rahmen von ZfS-Seminaren und einigen Wahlpflichtveranstaltungen wird seit einigen Jahren auf externes Personal gesetzt. Analog zu Ringvorlesungen bringen diese Dozierenden oft einen pragmatischeren Blick auf Lehrinhalte. Neben den wertvollen Praxiserfahrungen ist dies vermutlich günstiger als festangestelltes Personal. Jedoch haben die externen Dozierenden auch eigene Interessen. Gerade Unternehmen nutzen solche Möglichkeiten um Recruiting durchzuführen.

Forschung

Auch der Bereich der Drittmittel hat eine Kommerzialisierung erfahren. Nach Ankündigung der Plattform hochschulwatch wurde auch hier im Campus Blog kontrovers über das Thema (gewerbliche) Drittmittel diskutiert. Einerseits dienen diese gezielt der Erforschung wirtschaftlich relevanter Themen. Andererseits hindern Kooperationsverträge die Nutzung erforschter Technologien für Konkurrenten. Zudem besteht die Frage, ob sich unter solchen Umständen überhaupt unabhängig forschen lässt (Stichwort Stiftungslehrstühle). Sicher ist es angebracht, Unternehmen mehr in die Finanzierung des chronisch unterfinanzierten Bildungssystems einzubringen. Sollten dann aber nicht alle davon profitieren? Zieht die Lehre überhaupt einen Gewinn aus Drittmitteln für Forschungsprojekte? Schlussendlich sollte man hinterfragen, ob Lehrstühle durch gewerbliche Drittmittel nicht zur wissenschaftlichen oder gar staatlich subventionierten Unternehmensberatung werden.

Egal welche Meinung man vertritt, Universitäten und Wirtschaft sind immer enger in sich verzahnt. Die Uni Passau unterstreicht diese Entwicklung mit der Gründung eines Transferzentrums. Nichtsdestotrotz sollte man jede Kooperation kritisch hinterfragen. Was sind die Vorteile, was die Nachteile? Abschließend stellt sich ohnehin die Frage: Gibt es Freiheit von Forschung und Lehre noch – heute und/oder zukünftig? Es wurden wieder einmal alle politischen Hochschulgruppen befragt:

Fragestellung

Hochschulen handeln heutzutage immer mehr wie Unternehmen und gehen enge Partnerschaften mit der Wirtschaft ein. Wie steht ihr zur zunehmenden Ökonomisierung der Hochschulen?

Antworten*

LHG

Die LHG setzt sich für eine stärkere Verknüpfung von Praxis und Wissenschaft ein. Sei es durch Praktika in der Lehre oder kooperative Forschungsprojekte; vom gegenseitigen Austausch können beide Seiten nur profitieren. Auch der Einwerbung von Drittmittel stehen wir nicht geradheraus feindselig gegenüber. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass dadurch nur zusätzliche Angebote finanziert werden dürfen. Wichtig bleibt die Transparenz bei der Drittmitteleinwerbung. Sie sollte öffentlich beraten werden und nicht mit Personen oder Körperschaften geschlossen werden, die regelmäßig in einem Auftrags- oder Weisungsverhältnis zur Universität stehen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind besteht keinerlei Gefahr für die Forschungs- und Lehrfreiheit und die Uni kann durch die zusätzlichen Geldmittel nur profitieren.

Juso HSG

Hochschulen sind Orte freier Lehre und Forschung. An ihnen sollte es möglich sein, auch unbequeme Forschungsansätze zu verfolgen. Diese Grundsätze sind jedoch durch die verstärkte Finanzierung der Hochschulen durch private Drittmittel gefährdet. Unternehmen, die den Hochschulen Gelder spenden, machen dies nicht uneigennützig. Denn: Wer zahlt, schafft an! Darum fordern wir die Abschaffung aller privaten Drittmittel und eine komplette Finanzierung der Hochschulen durch den Staat. Der Wettbewerb innerhalb des Bildungssystems könnte durch eine funktionierende staatliche Drittmittelvergabe trotzdem gewährleistet werden, wenn diese zentral aus Bundesmitteln finanziert wird. Allerdings dürfen staatliche Drittmittel nur ein Plus an Mitteln darstellen.

Grüne HSG

Wissenschaft lebt von der Freiheit in Forschung und Lehre, deshalb lautet unser Grundsatz, dass die Unabhängigkeit der Universitäten gewahrt bleiben muss. Die zunehmende Ökonomisierung von Universitäten lehnen wir deshalb ab. Die Universität darf kein Unternehmen sein, das mit dem Ziel der Profitmaximierung arbeitet. Das aufkommende Leitbild einer karriereorientierten, unternehmerischen Hochschule wird von uns äußerst kritisch gesehen. Die Grüne Hochschulgruppe fordert vielmehr selbstbestimmte Forschung und selbstbestimmtes Lernen. Drittmitteleinwerbung aus der Privatwirtschaft wird von uns nur so lange akzeptiert, wie Forschung und Lehre durch diese finanziellen Mittel nicht tendenziös beeinflusst werden. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Ökonomisierung der Universität lehnen wir zudem kommerzielle Werbung auf dem Campus ab.

RCDS

Einerseits ist es für die Studenten ein großer Vorteil, wenn ihre Universität Kontakte zur Wirtschaft pflegt, andererseits ist eine Uni ein Ort der Bildung und Wertevermittlung, das heißt, dass es nicht ihre primäre Aufgabe ist, den Gesetzen der Ökonomie zu gehorchen. Doch warnen wir vor einer Verteufelung dieser Kooperationen, denn wir wollen, dass die Studenten in der Wirtschaft bestehen können. Und wenn z.B. ein Hörsaal nach einem Förderer aus der Ökonomie benannt wird, so gefährdet das noch nicht die wissenschaftliche Qualität dessen, was in diesem Saal gelehrt wird. Kooperationen mit der Wirtschaft bringen zusätzliche Mittel für Wissenschaft und Forschung.

Die Linke.SDS

Eines unserer obersten Ziele ist die Ökonomisierung der Hochschulen, insbesondere der Universität Passau, auzuhalten. Hochschulen sollten grundsätzlich unabhängig von der Wirtschaft sein. Die Freiheit der Bildung ist für uns ein sehr wichtiger Wert. Leider mischt sich die Wirtschaft immer mehr in die Universität Passau ein und beeinflusst dadurch auch den Studieninhalt. Studiengänge werden auf die Bedürfnisse der Wirtschaft zugeschnitten. Das sollte nicht so sein! Studierende sollten die Universität als einen Ort der Interessenentfaltung und Meinungsfindung erleben und nicht als eine Fabrik, die willenlose Roboter produziert. Wenn Unternehmen Hörsäle benennen, dann läuft etwas gehörig schief. Wir werden uns vehement dafür einsetzen diese Entwicklung zu stoppen.

Piraten HSG

Der Einfluss von Unternehmen an der Uni ist vielerorts unübersehbar. Offensichtlich sind die vergleichsweise harmlosen Hörsaal-Namensschilder oder zunehmend aggressive Werbekampagnen beim Mensabesuch. Daneben gibt es allerdings weiterreichende Beziehungen mit der Wirtschaft: In der Forschung gelten Drittmittel oft als unerlässlich, viele Projektträger verlangen Industriepartnerschaften – und im Sinne des Technologie-Transfers hat dieses Prinzip seine Berechtigung. Stiftungsprofessuren bringen willkommene Geldmittel, aber auch die Gefahr der Einflussnahme. Primärer Geldgeber einer öffentlichen Universität muss für uns jedoch der Staat bleiben, Gegenstand der Lehre allgemeingültiges Wissen: Die Schulung im Umgang mit proprietären Produkten etwa hat auf dem Lehrplan nichts zu suchen.

Im nächsten Artikel der Reihe Hochschulpolitik 2.0 beziehen die politischen Hochschulgruppen Stellung zum Thema Nachhaltigkeit.

(*) Reihenfolge in Rotation zum vorherigen Artikel.

Stichwörter: , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Kategorie(n): , , , , , , ,

Dieser Artikel wurde verfasst von .

4 Kommentare

  • Lisa Wagner says:

    Was mich in diesem Kontext auch sehr gestört hat, ist, dass sogar schon Bibeln auf dem Campusgelände verteilt wurden. Auch wenn es finanzielle Vorteile bringen mag, hat die Kirche in dieser Form auf dem Campusgelände meiner Meinung nach nichts zu suchen.

  • Manuel Grabowski says:

    Disclaimer: Ich bin Sprecher der FSinfo, dieser Beitrag stellt meine persönliche Meinung und nicht zwingend die der Fachschaftsvertretung dar.

    Schön, dass dieses Thema auch in diesem Rahmen beleuchtet wird. Insbesondere aus den Erfahrungen beim Organisieren einiger O-Wochen an der FIM, aber auch aus verschiedenen anderen Erfahrungen im Rahmen unserer Fachschaftsarbeit, kann ich persönlich nur bekräftigen, wie frustrierend und demotivierend der Einfluss von lautlicht oft sein kann.

    Wenn einem von langjährigen „Sponsoren“ auf einmal entgegnet wird, dass auf Weisung der Zentrale ab jetzt untersagt ist, an anderen Aktionen als „den offiziellen“ teilzunehmen und daher die Kooperation beendet werden muss, kann der Blutdruck durchaus mal kritische Regionen erreichen. Sponsoren deshalb in Anführungsstrichen, weil wir im Gegensatz zu besagter Agentur noch nichtmal zwangsläufig Geld dafür nehmen, etwas in unseren Tüten zu platzieren. Je nachdem, wie nützlich etwas uns für die Erstsemester erscheint, freuen wir uns schlicht über das sinnvolle Paket an Begrüssungsgeschenken, dass wir schnüren können. Reine Werbung nehmen wir gar nicht auf, und für Inhalte die sich irgendwo zwischen den Grenzwerten „Praktisches Geschenk mit Logo“ und „Werbeflyer“ befinden, verlangen wir eine gewisse Sponsoring-Gebühr. Ohne konkrete Zahlen nennen zu wollen, liegt diese deutlich unter der Gebühr von lautlicht. (Ja, auch wenn man es auf die Fakultäten hochrechnet.)
     
     
    Grotesk wird das Ganze besonders dann, wenn man mal vergleicht, was mit diesen Einnahmen geschieht.

    lautlicht stellt Studierende an, die im Mensa-Eingangsbereich auf äußerst penetrante Art und Weise (mir wurden Tüten zentimeternah vors Gesicht gehalten, als ich nicht selbst aktiv meine Hand nach einer ausgestreckt habe, und das mehrfach innerhalb einer Stunde) an absolut jeden, der die Mensa betritt oder verlässt, verteilen. Von Zielgruppenorientierung an Erstsemester kann hier nichtmal ansatzweise die Rede sein. Inhaltlich sieht es nicht viel besser aus: Ein Haufen Altpapier Werbung (zugegeben, es sind alles Flyer mit Coupons/Gutscheinen), Gummibärchen und ein Stift. (Unter all der Werbung zuletzt übrigens gleich zwei verschiedene Fitness-Studios – selbst uns gegenüber haben Unternehmen in der Regel erwartet, dass so etwas nicht vorkommt.)

    Die Fachschaften hingegen stecken das Bisschen, was eventuell an Geld übrig bleibt, entweder in noch ein paar selbst eingekaufte Süßigkeiten für die Tüten oder finanzieren den gemeinsamen O-Wochen-Brunch davon. Die wochenlange Vorarbeit für die Durchführung der O-Woche geschieht ganz genauso ehrenamtlich wie alle anderen Tätigkeiten. (Übrigens obliegt nicht den Fachschaften, sondern nach Art. 60 des Bayrischen Hochschulgesetzes der Studienberatung „ein bedarfsgerechtes Angebot von Einführungsveranstaltungen in den einzelnen Studiengängen“! Wir übernehmen diese Aufgabe unheimlich gerne und ich würde sogar nötigenfalls darum kämpfen; die Zusammenarbeit mit der Studienberatung könnte nicht besser funktionieren – dennoch verstärken solche Details den Frustfaktor, wenn einem dann dabei Steine in den Weg gelegt werden.) Inhaltlich verweise ich auf dieses Bild und behaupte, dass ein 50-seitiger Block, PostIt-Notizzettel, eine Tasse, ein Probe-Müsli, Süßigkeiten und eine normalgroße Dose Red Bull einen veritablen Mehrwert bieten. Das restliche Papier ist zudem keine kommerzielle Werbung mehr, sondern wertvolle Informationen für die Studienanfänger. So wertvoll, dass bei uns bisweilen sogar Mitarbeiter nach einer Tüte „ohne Gimmicks“ fragen, um ebenfalls eine unserer Erstsemesterbroschüren zu ergattern. Zu guter Letzt werden die Tüten von uns Stück für Stück persönlich an die Studienanfänger ausgeteilt, noch direkter kann man die Zielgruppe gar nicht erreichen.

    Dennoch: Wir werden nicht aufhören, uns für möglichst gut gefüllte Tüten zu engagieren, und vielleicht lässt sich ja in Zukunft der eine oder andere Sponsor durch einen Verweis auf diese Zeilen davon überzeugen, dass eine Kooperation mit der Studierendenvertretung die sinnvollere Variante ist.

  • Alice Watmann says:

    Meiner Meinung nach ist ein wenig Werbung in Form von Flyern, kleinen Bannern etc. Ordnung. Agressive Werbung wie dieser Riesen-Banner verschandeln meiner Ansicht nach aber das ästhetische Bild der Universität. Trotz Ökonomisiserung sollte die Universität nicht wie eine Werbesäule aussehen!

Kommentar