Was von der Flut übrig blieb: Erinnerungen an „Passau räumt auf“

Veröffentlicht von am 9.08.2013, 20:50 | Kommentar

„Jetzt seit ihr echte Passauer“, konnte man als Student in den Tagen nach der Flut of hören. Die sind mittlerweile schon etwas her und Passau ist dabei sich die Stadt Stück für Stück vom Fluss zurück zu erobern. Der Schlamm ist aus Straßen und Häusern gefegt und die Renovierungsarbeiten sind in vielen Stadtteilen bereits im vollen Gange. Was bleibt ist ein neues Gefühl der Verbundenheit zwischen den „Alteingesessenen“ und uns „Hinzugezogenen“ Passauern, das hoffentlich so schnell nicht wieder vom Alltag davon geschwemmt wird. Ein Zeichen dafür setzt auch das neue Flashmove-Video der Stadt, das ab heute im Netz zu finden ist.  Für einige Studierende ein schöner Anlass, noch einmal zurück zu denken an ihre Erlebnisse mit „Passau räumt auf“.

Alle lieben die „Studenten“ (Mandy Klauke, Business Administration and Economics)

Die Hochwasserkatastrophe Anfang Juni in Passau war für mich ein Ereignis, welches ich nicht unbedingt hätte live erleben wollen. Trotzdem geschah es und zu meinem Glück hat es mein Haus nicht betroffen. Somit war aber klar, dass ich trotzdem mitten im Schlamm stehen und anpacken werde, und das Beste dabei ist – ich war nicht alleine dieser Meinung. Sobald das Wasser die ersten Häuser verließ, stiefelten ich und 1.000 andere Kommilitonen/innen in die Stadt, um so viel wie möglich zu helfen.
Ich persönlich habe noch nie so einen Zusammenhalt erfahren. Es gab sehr viele Gänsehautmomente. Vor allem ein Moment ging mir sehr nah. Ich lief gerade nach getaner Arbeit von Haibach mit meiner Schaufel auf der Schulter nach Hause. Dieser Weg führte mich direkt durch den Unteren Sand, wo ich mich so unauffällig wie möglich durch die zahlreichen Helfer durchschlängelte, es war unfassbar. Ähnlich einer Ameisenkolonie arbeiteten geschätzt über 100 Studenten in einer Symphonie zusammen, wie ich das so noch nie erlebt habe.
Genau dieser Zusammenhalt war nicht einfach nur da, man konnte ihn sehen und spüren. Großartig war die Zusammenarbeit zwischen Studenten und Passauern, bei der nach Jahren voller Misstrauen endlich das Eis gebrochen wurde und jeder beim andern die Vorurteile endlich ablegen konnte, um Hand in Hand zusammenzuarbeiten. Aber auch zwischen den Studenten passierte etwas. Es war nicht mehr relevant, was man studiert und wie sehr oder wie wenig erfolgreich man ist. Interessant war nur: „Wo warst du?“ und „wie schaut’s da grad aus?“ Und durch die zufällige Aufteilung in Gruppen lernte man auch einfach großartige Menschen kennen, ohne Vorurteile. Dank dem Schlamm sah jeder gleich aus und signalisierte nur – „ich gehöre dazu“.
Das Hochwasser in Passau 2013 – als das Wasser ging, war der Schlamm da und es kam die Liebe.

„Mama, da warst du dabei“ (Petra Mayrhofer, B.A. Medien und Kommunikation)

Als ich zum ersten Mal in Gummistiefeln mit geschulterter Schaufel Richtung Nikolakloster ging, war ich irgendwie bereits erfasst von dieser positiven Energie, die von all den Freiwilligen ausging. Dennoch schwang auch ein leicht mulmiges Gefühl mit. Was genau würde mich erwarten? Die Aufgaben waren vielfältig: nassen Sperrmüll schleppen, zähen Schlamm schaufeln, Schutt und Schlamm aus Häusern bringen, mit Schubkarren oder als Glied einer Eimerkette – es ging jedenfalls an die Substanz. Allgegenwärtig war aber auch ein ganz besonderes Gemeinschaftsgefühl. Wir gehörten zusammen, hatten gemeinsam eine wichtige Aufgabe zu bewältigen. Man trank mit Fremden aus einer Wasserflasche, teilte sich eine Semmel und war sich gar nicht mehr fremd. Einsatzkräfte, Passauer, Studenten – alle schienen irgendwie verbunden zu sein. Wer nicht schaufeln konnte, brachte Verpflegung. So viele wollten unbedingt etwas tun. Versorgt wurden wir wirklich bestens, und man spürte, es kam von Herzen.
Nach und nach wuchsen Dankesbotschaften aus den Häusern und Gärten der Stadt. Zetteln hinter Glastüren, große Tücher aus Fenstern hängend, Transparente und Tafeln aller Art drückten Dankbarkeit aus. Es war überwältigend, eine ungewöhnlich intensive Zeit. Einerseits schwer zu fassen, dass plötzlich nichts mehr so war wie vorher. So vieles zerstört. Wo es zuvor grünte, wo Blumen blühten, waren nur noch Unmengen an braungrauem Dreck. Andererseits aber sah man jeden Tag, was wir geschafft hatten, und die immense – und unkomplizierte – Hilfsbereitschaft sowie die unendliche Dankbarkeit der Menschen hier waren sehr berührende Erfahrungen für mich.
Eines  Abends umarmte mich meine achtjährige Tochter, drückte mich ganz fest und meinte: „Im Radio haben sie gesagt ‚Wir danken allen Helfern‘ – Mama, da warst du dabei!“ Da wurde mir erst klar, dass es nicht nur jetzt wichtig war, was wir geleistet haben, sondern dass wir auch mit gutem Beispiel vorangegangen waren und gezeigt haben, was man mit vereinten Kräften schaffen kann. Was auch immer meine Kinder erwartet, wenn sie groß sind – dies ist auf jeden Fall eine wichtige Botschaft, die sie auf ihren Weg mitnehmen werden.

 

Solltet ihr auch von einem besonderen Aufräumerlebnis erzählen wollen oder möchtet ihr euch bei Mithelfern bedanken, die man wieder aus den Augen verloren hat? Dann freuen wir uns auf eure Texte (kommunikation@uni-passau.de)!

(Die von den Studierenden erstellten Texte wurden in der Originalfassung übernommen)

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