Spielzeichen – Tagung zu Theorien, Analysen, Praktiken des zeitgenössischen Computerspiels vom 5. bis 7. Dezember 2014

Veröffentlicht von am 2.12.2014, 10:11 | Kommentar

Die interdisziplinäre Tagung wird von den Passauer Professoren Hans Krah, Lehrstuhl für Neuer Deutsche Literaturwissenschaft, und Jan-Oliver Decker, Professur für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Mediensemiotik, sowie von Martin Hennig, Kollegiat am DFG-Graduiertenkolleg „Privatheit“, organisiert. Die Veranstaltung wird gefördert vom Institut für interdisziplinäre Medienforschung.

Interessierte können ohne Anmeldung zur Tagung kommen, der Eintritt ist frei.

Veranstaltungsort: Raum 017, Gebäude IT-Zentrum (Innstr. 43).

Die Veranstalter im Interview

Herr Professor Krah, wir kennen Computerspiele als Freizeitspaß, aber offenbar geben sie auch ein spannendes Forschungsfeld ab. Warum?

Prof. Dr. Hans Krah: Es handelt sich um ein sehr aktuelles und genuin interdisziplinäres Feld, in dem viele wissenschaftliche Facetten stecken: Technik, Rechtsfragen, semantische und narratologische Fragen, psychologische und soziologische Aspekte. Eine Spezialität unserer Universität ist es ja, sich mit Forschungsfeldern, auf denen sich unterschiedliche Disziplinen vernetzen, besonders auseinander zu setzen. Die Tagung versammelt Ansätze und Themen aus den Game Studies, an denen man diese vielfältigen Wechselwirkungen gut sehen kann.

Wie ist das Programm aufgebaut?

Martin Hennig: Wir werden uns am Eröffnungstag zunächst damit beschäftigen, was das Computerspiel eigentlich ausmacht. Am Samstag stehen die Erzählweisen des Computerspiels und seine Vernetzung mit anderen Medien im Mittelpunkt: Es gibt beispielsweise immer mehr Spiele, die so tun, als seien sie Filme, Fernsehserien oder Theaterstücke, das ist ein sehr interessantes Feld. Am Sonntag wird es um die soziale Seite, also das Verhalten der Spielenden, gehen.

Herr Hennig, Sie befassen sich mit dem Aspekt der Privatheit im Zusammenhang mit Computerspielen. Was beobachten Sie?

Hennig: Zum einen untersuche ich, wie das Thema Privatheit in Räumen und zwischen Personen in den Spielen verhandelt wird. Neben dem Diskurs innerhalb des Spiels finde ich aber auch die Entwicklung des Nutzerverhaltens im Umgang mit Privatheit spannend. Die Spiele öffnen sich zunehmend hin zum Mehr-Spieler-Bereich und zum Onlinebereich. Die größten Zuwächse an Spielern verzeichnet man zurzeit an Smartphones und Tablets, wo ja durchaus Eingriffe in die Privatheit von Nutzern stattfinden.

Wie viel muss man spielen, um das zu erforschen?

Hennig: Ganz schön viel (lacht). Allerdings kann man nicht immer 60 bis 80 Stunden investieren, um ein Spiel in allen Grundzügen ganz durchzuspielen – da muss man sich als Wissenschaftler ganz pragmatisch Hilfsmittel suchen, etwa Spielprotokolle oder Videosessions von anderen Usern oder den Firmen selbst.

Welche aktuellen Tendenzen in der Computerspielkultur finden Sie besonders bemerkenswert?

Krah: Für mich waren Spielen und Erzählen lange Zeit zwei voneinander getrennte Dinge. Im Computerspiel wird das Spiel in Erzählkontexte eingebettet, es steht auf einmal in einem sinnstiftenden Zusammenhang. Ich bin bass erstaunt, welche Formen das inzwischen annimmt und wie die Spielenden damit umgehen. Man drückt nicht mehr einfach ein paar Knöpfe und sammelt Punkte, man ist Teil einer Geschichte – das ist ein völlig neuer Zugang.

Hennig: Ich glaube, das Computerspiel steckt immer noch in der Selbstfindungsphase und laboriert seit seinen Anfängen an diesem Gegensatz von Interaktion und Narration. Die Frage, wohin es auf dem Markt gehen wird, ist spannend wie nie: Auf der einen Seite werden milliardenteure Blockbuster im Hollywoodstil produziert, gleichzeitig entwickelt sich ein starker Independent-Markt mit kleinen, anspruchsvollen Produktionen in einer ganz anderen Machart.

Ihre persönliche Prognose?

Hennig: Die ist vor allem technischer Art. In meinem Computerspielseminar kann ich heute nicht verlangen, dass meine Studenten jedes Spiel zuhause rezipieren und vorbereiten. Nicht jeder verfügt über die erforderlichen technischen Voraussetzungen. Meine Prognose ist, dass in den nächsten zehn Jahren viele technische Schranken fallen werden und wir auf allen Geräten über alle Arten von Spielen verfügen können. Und ich erwarte, dass sich im Bereich Virtual Reality einiges tun wird. Mehrere Firmen sind zurzeit an massenmarkttauglichen Modellen dran. Unter anderem auch Facebook, was mich gleichermaßen mit Spannung und Grusel erfüllt (lacht).

Sie sprechen von „Computerspielkultur“. Kann sich ein Medium, das regelmäßig als Katalysator für Gewalttaten und totale Verdummung im Kreuzfeuer steht, als anerkanntes Kulturgut überhaupt durchsetzen?

Krah: Es wäre nicht das erste Mal, dass eine zunächst verteufelte Gattung sich als gesellschaftlich anerkanntes Genre etabliert. Der Film galt zunächst als niedere Unterhaltungsform. Musikvideos hatten lange Zeit einen schlechten Ruf, obwohl sie längst von einer breiten Masse konsumiert wurden. Beide Gattungen haben vor ihrer Etablierung Phasen der Selbstreflexion und der Ausdifferenzierung, auch der Poetisierung, durchlaufen, die wir jetzt beim Computerspiel beobachten. Also: warum nicht?

Ihr Tipp für die Tagungsvorbereitung: Welche Spiele empfiehlt der Forscher – und warum?

Hennig: „The Stanley Parable“ ist ein Spiel, das Interaktion und Erzählung sehr innovativ thematisiert. Beispiele für Blockbuster, die gut spielbar und gleichzeitig in der Erzählung sehr elaboriert sind, sind „The Last of Us“ oder „Bioshock Infinite“.

Krah: Was ich hübsch finde, ist der Zugang, den die Serie „South Park“ zum Thema Computerspiel findet – als Parodie sehr gut gemacht, insbesondere in der Folge „Make Love, not Warcraft“.

Gespräch: Katrina Jordan

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Dieser Artikel wurde verfasst von Birgit Schwenger.

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