Pfirsich trifft Kokosnuss

Veröffentlicht von am 15.06.2015, 14:19 | Kommentar

Gässler_SandraAmerikaner sind oberflächlich, ihre gute Laune ist aufgesetzt: Sandra Gässler weiß, mit welchen Vorurteilen Amerikaner in Deutschland zu kämpfen haben. Durch lange berufliche und private Aufenthalte in den USA kennt die Diplom-Betriebswirtin die amerikanische Kultur genau. Neben ihrer Tätigkeit als Dozentin an der Dualen Hochschule und der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Stuttgart arbeitet Gässler für das Trainingsinstitut IMB Interkulturelle Management Beratung und betreut Firmen wie Abbott, Bosch oder Continental. In den Seminaren des ZfS gibt sie ihr Wissen über die amerikanische Kultur an Studierende weiter. Uns hat sie im Interview verraten, warum wir Deutsche wie Kokosnüsse sind – und uns im Umgang mit den amerikanischen Pfirsichen schwer tun.

Zum Wintersemester 2015/2016 wird die Veranstaltung „Interkulturelle Kompetenz: USA“ erstmalig auch als frei wählbares Seminar für alle Interessierten angeboten.

ZfS: Frau Gässler, was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Amerikanern?

Amerikaner sind sehr bemüht, ihren Mitmenschen freundlich gegenüber zu treten. Man möchte einen positiven Eindruck hinterlassen. Auf die Frage „How are you?“ antwortet man mit „Fine, thank you!“; unabhängig davon, wie man sich gerade tatsächlich fühlt. Man möchte den anderen nicht mit Problemen oder schlechter Stimmung belasten. Ein solches Verhalten käme den meisten Deutschen kaum in den Sinn: Wenn man sich schlecht fühlt, dann ist es eben so, und man darf es auch zeigen. Im Bayerischen hat man, so haben mir hier die Studierenden gesagt, den treffenden Ausdruck des Grantelns. Ein solches Modell sozial akzeptierter und offen gezeigter Übellaunigkeit wäre für Amerikaner schwer vorstellbar. Deshalb lege ich Deutschen nahe, sehr auf das image, also das nach außen getragene Bild einer Person, zu achten. Das heißt: Negatives möglichst weglassen und Positives herauskehren!

 ZfS: Deshalb wirken Amerikaner auf Deutsche ja oft sehr künstlich und oberflächlich. Sind sie das wirklich?

Die Unterschiede zwischen Deutschen und Amerikanern werden oft mit dem Bild von peach and coconut beschrieben.

Die Amerikaner entsprechen in ihrer Selbstdarstellung einem Pfirsich: Er hat eine schöne Farbe, eine glatte Oberfläche und verspricht süß zu schmecken. Aber Vorsicht: Beißt man zu tief rein, dann kommt irgendwann ein harter Kern. In der Praxis zeigt sich dies so: Amerikaner möchten einen guten Eindruck hinterlassen. Man pflegt den Smalltalk, man gibt sich gesellig und kontaktfreudig. Auf Partys wird man , auch als Fremder, schnell in ein, wenn auch oberflächliches, Gespräch verwickelt.

Die Sphäre des Inneren, des Privaten und Intimen sollte man im Umgang mit Amerikanern jedoch nicht so schnell berühren. Sie entspricht sozusagen dem Kern des Pfirsichs. Problematische Gesprächsthemen sollten vermieden werden; Kummer und Sorgen sind nicht Gegenstand eines Alltagsgesprächs. Als Kind habe ich oft von meiner amerikanischen Lehrerin gehört: „If you don’t have anything nice to say don’t say anything at all.“ Dies bringt die Sache auf den Punkt.

Bei den Deutschen hingegen, die man mit einer Kokosnuss vergleicht, ist das anders: Weder die Farbe noch die Oberfläche sind besonders attraktiv. Will man an das süße und saftige Innere der Nuss gelangen, muss man einige Mühen auf sich nehmen und die harte Schale knacken. Es braucht mehr Zeit, bis man an die private oder freundschaftliche Person herankommt. In Deutschland sprechen zum Beispiel auf Partys nur diejenigen miteinander, die sich bereits kennen. Deutsche Partys sind für Amerikaner also oft der reine Kulturschock.

Amerikaner mögen auf Deutsche oberflächlich wirken. Das heißt aber keinesfalls, dass sie so sind! Dem liegen unterschiedliche Verhaltens- und Kulturstandards zugrunde.

 ZfS: Was sollte man im privaten Umgang mit Amerikanern also berücksichtigen?

Die meisten Amerikaner möchten gerade im privaten Umgang das Gefühl vermittelt bekommen, dass sie gemocht werden. Lob und Anerkennung sind deshalb im alltäglichen Gespräch sehr wichtig. Das Lob kann sich auf Kleinigkeiten beziehen, zum Beispiel auf das neue Jackett oder die Einrichtung der Wohnung. Wichtig ist, dass man Wertschätzung zeigt und eine Atmosphäre der Freundlichkeit aufrecht erhält.

ZfS: Welche Konfliktsituationen ergeben sich vor allem im geschäftlichen Kontext?

Die Spielräume für einen Mitarbeiter sind in den USA meist nicht so groß wie in Deutschland. Arbeitsabläufe sind stärker segmentiert, und es ist genau definiert, was der Einzelne zu tun oder zu lassen hat. Dies wird meist über entsprechende Instrumente kontrolliert. Auch das sogenannte Reporting ist eine wichtige Sache. Der Mitarbeiter soll dem Vorgesetzten regelmäßig über seine Arbeit berichten: „Was läuft gut? Wo kann man Dinge verbessern?“ Fehlerhaftes Berichten kann schwerwiegende Folgen haben. In Deutschland kennt man diese Art des Reporting nicht. Fehler in Abläufen werden beispielsweise von Mitarbeitern selbst korrigiert, und die Vorgesetzten werden nur über das Wichtigste informiert. Bei der Zusammenarbeit in deutsch-amerikanischen Teams kann dies zu Unstimmigkeiten führen. Bei einem meiner Trainings, das ich im Auftrag von IMB durchgeführt habe, ging es genau darum: Ein deutsch-amerikanisches Team hatte gemeinsam an einem Produkt gearbeitet, bei dem ein kleiner Fehler unterlaufen war. Der Fehler war schnell behoben und die Deutschen hatten nichts davon ihrem Vorgesetzten berichtet. Die Amerikaner jedoch gaben alles genau weiter. Die Deutschen empfanden ihre amerikanischen Kollegen deshalb als „Petzen“; diese hatten jedoch nur ihre Pflicht des Reporting erfüllt. Ein unvollständiges Reporting kann in den USA sogar zur Kündigung führen.

ZfS: Worauf sollte man bei Geschäftsbeziehungen mit Amerikanern sonst noch achten?

In den USA sagt man: „Speed is part of the quality!“ Langsamkeit, zu viel Analyse, mangelnde Flexibilität und zu wenig Kommunikation sollten also vermieden werden. Amerikanische Kunden möchten schnelle Lösungen haben. Die Lösungen müssen nicht immer perfekt sein. Wichtig ist, dass man dem Kunden das Gefühl vermittelt, dass man „daran arbeitet“. Dieses Feedback zum Kunden sollte häufig und regelmäßig geschehen. Dazu eine Anekdote aus dem Training: Im Rahmen einer deutsch-amerikanischen Projektarbeit wurden Projektschritte und –ziele festgelegt. Man begann auf beiden Seiten mit der Arbeit und nach einigen Wochen traf man sich zum virtuellen Meeting wieder. Dabei stellte sich heraus, dass die amerikanischen Kollegen das Projekt nach einiger Zeit nicht mehr besonders aktiv verfolgt hatten, während die Deutschen erste Ergebnisse vorlegten. Die Verwunderung war beiderseits groß. Was war geschehen? Die Deutschen sagten, die Ziele waren klar, sie hätten daran gearbeitet und keinen weiteren Gesprächsanlass gesehen. Die Amerikaner meinten hingegen, sie hätten auch fleißig gearbeitet, aber wochenlang nichts mehr von den Deutschen gehört. Deshalb sei man zu der Überzeugung gekommen, dass das Projekt wohl nicht mehr so wichtig sei und habe das Tempo reduziert. Diese mangelnde Kommunikation ist häufig Ursache für Missverständnisse und Fehleinschätzungen. Den Deutschen rate ich deshalb, regelmäßig Feedback im Umgang mit Amerikanern zu geben. „Wir haben das und das gemacht. Wo steht ihr gerade? Woran arbeitet ihr?“ Es ist wichtig, den Gesprächsfaden zu halten und nach deutschen Verhältnissen eher zu viel als zu wenig zu kommunizieren.

ZfS: Welche grundlegenden Tipps geben Sie Ihren Seminarteilnehmenden für den Umgang mit Amerikanern mit auf den Weg?

Interkulturelle Informationen geben immer nur einen Trend oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit an, dass etwas so oder so eintrifft. Vieles hängt jedoch auch von der Persönlichkeit ab. Es gibt Amerikaner, die dem Bild eines Pfirsichs nicht entsprechen; die beispielsweise absolut direkt sind. Man muss sich davor hüten, Menschen in einen Topf zu werfen. Informationen über kulturelle Unterschiede können sehr hilfreich sein. Sie geben Orientierung, erleichtern Einschätzungen und Prognosen, geben Sicherheit und helfen, Kulturschocks zu vermeiden. In meinen Trainings ist es mir ein Anliegen, dass die Teilnehmenden lernen, die Besonderheiten einer Kultur und die Persönlichkeit des Einzelnen als gleichermaßen wichtig anzusehen.

ZfS: Vielen Dank für das Gespräch.

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Dieser Artikel wurde verfasst von Zentrum für Karriere und Kompetenzen.

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