Nachgefragt bei: Dr. Georg Sutter

Veröffentlicht von am 21.10.2015, 11:58 | Kommentar

Dr. Georg Sutter„Ohne Selbstwahrnehmung kann man keine gute Führungskraft sein“, schreibt der Harvard Business Manager in dem Artikel „Fünf Wege zu besserer Führung“. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion, emotionale Intelligenz – dies sind Stichwörter, die oft im Zusammenhang mit dem Erfolg als Manager genannt werden. Doch auch im Alltag von Mitarbeitenden oder Studierenden hilft es, sich über den eigenen Standpunkt und seine Persönlichkeit bewusst zu sein. Dr. Georg Sutter verfügt über viel Erfahrung im Bereich der Selbst- und Lebensführung und berät auch Unternehmen hierzu. Im Interview erzählt er, warum es so wichtig ist, sich selbst führen zu können und wie man dies lernen kann.

ZfS: Herr Dr. Sutter, als Mitglied im Think Tank unterstützen Sie das ZfS mit Beobachtungen zu aktuell wichtigen Schlüsselkompetenzen in der Arbeitswelt. Konnten Sie in der letzten Zeit Veränderungen feststellen, haben bestimmte Kompetenzen an Bedeutung gewonnen?

Dr. Georg Sutter: Wenn ich hier zunächst auf die so genenannte „Digitale Kompetenz“ verweise, werden mir wahrscheinlich viele Verantwortliche sehr schnell zustimmen. Wenn ich dann aber im gleichen Atemzug auf Begriffe wie „soziale Kompetenz“, „emotionale Intelligenz“ oder „emotionale Kompetenz“ verweise, dann wird man mir entgegenhalten, dass das ja wohl ein alter Hut sei. Richtig ist, dass diese Begriffe schon seit Jahren die Hitlisten der Seminaranbieter und –nachfrager bestimmen. Genau so richtig ist aber auch, dass das noch immer für viele Führungskräfte und Experten – übrigens nicht nur in der Wirtschaft sondern auch in öffentlichen Institutionen – Worthülsen sind, die auf der Haltungs-, Verhaltens- und Handlungsebene wenig wirksam werden. Das rächt sich in Zeiten zunehmender Dynaxity, also der gleichzeitigen Zunahme von Dynamik und Komplexität. So ist z.B. die „Reflexionsfähigkeit“, also das Vermögen, zum Geschehen im jeweiligen Umfeld und vor allem zu sich selbst in kritische Distanz zu treten, eine Kernfähigkeit, wenn es um Führung von Mitarbeitern und um die Steuerung komplexer, dynamischer Prozesse geht.

ZfS: Mit Ihrer Firma GSS Consulting beraten Sie Unternehmen unter anderem in dem Bereich Selbst- und Lebensführung. Was verstehen Sie darunter und warum ist dies wichtig für das Unternehmen/die Mitarbeiter? Wie können Studierende lernen, sich selbst zu führen?

Sutter: Selbst- und Lebensführung beschreibt u.a. die Anforderung an den Einzelnen, sich den Aufforderungen des Lebens aktiv zu stellen, letztlich für sich einen Gestaltungsauftrag zu sehen, der getragen ist von einem persönlichen „Wofür“ und einer Idee von einem „Wohin“. Diese Selbstverortung wird insofern immer wichtiger, als Innehalten, den eigenen Standort bestimmen, um dann wieder die nächsten Schritte zugehen, davor schützen, einem reinen Funktionsmodus zu folgen. Die Verlockungen, nur noch zu funktionieren, sind groß – nicht nur im Arbeitsleben selbst, sondern schon in der Ausbildung an Schulen und Universitäten. Die Konsequenzen sind Frustration, Erschöpfung, oft verbunden mit dem Gefühl der Unzufriedenheit und Sinnlosigkeit des eigenen Bemühens. Es geht also wieder um die bereits angesprochenen Kernkompetenzen: die Reflexionsfähigkeit, der emotional intelligente Umgang mit den eigenen Gefühlen, usw.

Das ZfS der Universität Passau bietet hierzu hilfreiche Seminare an. Eine jährliche Standortbestimmung gehört für mich mindestens genauso zum Studium wie die fachliche Qualifizierung.

ZfS: Seminare zur personalen Kompetenz geben erste Anstöße und Denkansätze, um an sich selbst zu arbeiten. Wie schafft man es jedoch, sich nachhaltig und bewusst persönlich weiterzuentwickeln?

Sutter: Wie oben schon angesprochen: Was für mich heute im Interesse der eigenen Leistungsfähigkeit unumgänglich ist, sind fest geplante Reflexionszeiten und –räume – am Besten in einer Kombination mit Feedbackschleifen, damit man auch die eigene Wirkung auf andere gut im Blick behält. Solche Reflexionszeiten, also Zeit in das Nachdenken darüber zu investieren, wo ich mit meinen Fähigkeiten, Stärken und Werten stehe und den eingeschlagenen Weg kritisch zu überprüfen, kann man für sich selbst gestalten. Bewährt hat sich auch die kollegiale Beratung oder externes Coaching. Ich halte auch nach wie vor viel davon, sich regelmäßig mit einem „Mentor“ über die eigene Entwicklung und Perspektiven auszutauschen; immer mit dem Fokus darauf, die eigene Gedanken- und Gefühlswelt zu sortieren und mit klarem Blick nach vorne zu schauen.

ZfS: Sie selbst haben in Führungspositionen vieler großer Handelsunternehmen gearbeitet und haben in dieser Funktion unter anderem auch die Quelle AG beim Insolvenzprozess begleitet. Welche Kompetenzen sind in solchen Krisensituationen hilfreich?

Sutter: Solche Situationen zu bewältigen verlangt naheliegender Weise all das, was heute in der Resilienz-Diskussion, bei der es um die psychische Widerstandsfähigkeit von Menschen geht, beschrieben wird. Es reicht allerdings nicht, sich z.B. auf eine hohe Frustrationstoleranz oder starke Willenskraft zu verlassen. Als entscheidend hat sich für mich und meine damaligen Mitarbeiter ein gefestigtes Wertekonzept erwiesen, verbunden mit einem innerlich verstandenen „Wofür“. Dazu kommt, dass gewachsene, verlässliche Beziehungen eine nicht hoch genug einzuschätzende Ressource sind. All dies kann man in einer Krise allerdings nicht aus dem Hut zaubern. Das muss schon lange vorher eingeübt sein, das darf sich schon in „Friedenszeiten“ bewährt haben. Denn Vertrauen kann man ja schließlich nicht „machen“ und schon gar nicht im Bedarfsfall „dazu kaufen“.

ZfS: Neben Ihrer Tätigkeit in der Personalentwicklung haben Sie sich auch als Coach und Berater ausbilden lassen. Was hat Sie dazu bewogen?

Sutter: Das hatte damit zu tun, dass mir in meiner Managementfunktion immer wieder deutlich wurde, dass wir als Führungskräfte nur dann nachhaltig wirksam werden können, wenn wir die richtigen Fragen stellen: Wenn wir also die Mitstreiter dazu anhalten, sich selbst Lösungen zu Problemen zu erarbeiten, und erkennen, dass starre, autoritäre Strukturen und Prozesse verbunden mit alten Verhaltensmustern nicht mehr greifen. Schließlich müssen wir begreifen, dass wir die anstehenden Veränderungsnotwendigkeiten nur dann bewältigen, wenn wir mit der Veränderung bei uns selbst beginnen. So gesehen habe ich die verschiedenen systemischen Coaching- und Beraterausbildungen im Interesse der eigenen Zukunftsfähigkeit als Führungskraft und Manager absolviert.

ZfS: Vielen Dank für das Gespräch!

Dr. Georg Sutter studierte Betriebswirtschaft, Berufs-/Wirtschaftspädagogik sowie Germanistik. Er arbeitete als Führungskraft, Vorstand und Geschäftsführer in verschiedenen Unternehmen, unter anderem bei der Deutschen Aerospace und der Quelle Neckermann Gruppe. Als Consultant und Coach (GSS Consulting – Shared Value) unterstützt er heute Unternehmer, Führungskräfte und ihre Organisationen bei Führungs-, Steuerungs- und Organisationsfragen, insbesondere in Strategie-, Organisations-, Transformations- und Kulturentwicklungsprojekten, in den Themenfeldern werteorientierte Führung, Human Potential Management sowie Selbst- und Lebensführung.

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Dieser Artikel wurde verfasst von Zentrum für Karriere und Kompetenzen.

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