Interkulturelle Kompetenz: Indien – Paresh Patel im Gespräch

Veröffentlicht von am 9.12.2016, 10:13 | Kommentar

Indien ist ein spannender Kulturraum und eine Auseinandersetzung mit ihm definitiv empfehlenswert – sagt Paresh Patel, Diplom-Betriebswirt und seit über 25 Jahren im aktiven internationalen Vertrieb und im Projekt- und Produktmanagement tätig. Durch sein Elternhaus, welches indisch-deutsch geprägt ist, entstand schon früh seine Affinität zu Indien. Am Zentrum für Schlüsselkompetenzen (ZfS) bietet Patel das Seminar „Interkulturelle Kompetenz: Indien“ an. Wir haben mit ihm über die Unterschiede zwischen der deutschen und der indischen Kultur gesprochen und wie das Land, trotz der vielen verschiedenen Sprachen und Religionen, als Einheit bestehen kann.

Herr Paresh Patel, Dozent am Zentrum für Schlüsselkompetenzen

ZfS: Herr Patel, seit über 25 Jahren arbeiten Sie im aktiven internationalen Vertrieb und im Projekt- und Produktmanagement. Außerdem sind Sie als Indienberater für den deutschen Mittelstand tätig. Was hat Sie dazu bewogen, Ihre Affinität zu Indien und Asien mit dem Vertrieb zu kombinieren?

Paresh Patel: Entscheidend ist hier sicherlich mein Elternhaus, das binational, in diesem Falle indisch-schwäbisch – schwäbisch-deutsch, geprägt ist. Schon als Jugendlicher konnte ich Einblicke in das Heimatland meines Vaters gewinnen. Diese Erfahrungen haben mich geprägt und mit einer hohen Neugierde und Offenheit gegenüber Menschen aus anderen Kulturen ausgestattet. Im internationalen Vertrieb sind nicht immer die Darstellung und Qualität des Produktes oder ein attraktiver Preis entscheidend für eine langfristige Kundenbeziehung. Wie es der Begriff Beziehung mitdefiniert, sind Werte wie Unvoreingenommenheit, Wertschätzung, Dauerhaftigkeit, Vertrauen, Verständnis, aufrichtiges und beidseitig aktiv gelebtes Interesse an der Wertekultur des „Anderen“ und bestehende Gemeinsamkeiten genauso wichtig.

ZfS: Sie sind sowohl in Indien als auch in Deutschland zur Schule gegangen. Wo liegen die Unterschiede beider Schulsysteme?

Patel: In beiden Ländern stellen Ausbildung und damit der Anspruch an das Thema Bildung einen entscheidenden gesellschaftlichen Wert dar. Deutschland hat eine Amts- und Schulsprache, das Hochdeutsch, Indien hat mit Hindi und Englisch 2 Amtssprachen und weitere 21 zugelassene Hauptsprachen, von denen sich die Sprachgrenzen sehr stark mit den Landesgrenzen der Bundesländer überlappen. Viele Inder wachsen daher bereits mehrsprachig auf. Im Bundesland Tamil Nadu wird beispielsweise an den meisten Schulen Tamil im Grundschulbereich unterrichtet, eine alte dravidische Sprache mit eigener Schrift. In den höheren Klassen kommt dann die Amtssprache Hindi dazu, mit einer komplett anderen Schrift und Grammatik als Tamil. Und als letztes folgt dann Englisch. Ein möglicherweise etwas hinkender Vergleich wäre Griechisch in der Grundschule, Deutsch ab den höheren Klassen und danach Kyrillisch. Im Gegensatz dazu wird in Deutschland flächendeckend deutsch gesprochen, geschrieben und verstanden. Das heißt der Aufwand an Kommunikation, auch wenn sich Schüler aus unterschiedlichen Bundesländern in Indien treffen, ist höher, anders und vielfältiger im Methodeneinsatz. Dies wird aber in Indien akzeptiert und prägt ein erforderlich flexibel gestaltetes und anpassungsfähiges Kommunikationsverhalten. Ein entscheidender Unterschied ist außerdem auch, dass in Deutschland die Mehrheit der Bürger Zugang zu einem Schul- und Ausbildungssystem hat. In Indien ist Schule für die meisten Bürger, trotz eines ersichtlichen Anwachsens der Schülerzahlen noch immer keine Selbstverständlichkeit. Zudem wird hier meist lösungsorientiertes Wissen vermittelt, also wo oder wen muss ich recherchieren bzw. ansprechen, um Informationen zu erhalten, die relevant für die Lösung eines Problems sind.

ZfS: Kulturelle Unterschiede führen oft zu Missverständnissen. Worin unterscheidet sich die indische Kultur in Bezug auf Verhaltensweisen von der deutschen Kultur? 

Patel: Verhaltensweisen in einem Kulturraum können von sehr vielen Parametern im Laufe der Geschichte der betroffenen Länder geprägt sein. Aber auch die Größe eines Kulturraumes, die dominierenden Religionen, die ethischen und sprachlichen Vielfalten oder die Bevölkerungszahl spielen eine Rolle. In Indien hat sich herauskristallisiert, dass ein flexibler Umgang miteinander zielführend ist. Eine tolerantere Einstellung an das Qualitätsdenken und Zeit- oder Kommunikationsverhalten vereinfachen den Umgang miteinander. Diese Toleranz ist in Deutschland nicht in dem Umfang erforderlich, da hier die Sprache eindeutiger ist und Eigenschaften wie Genauigkeit, Pünktlichkeit und Nachvollziehbarkeit klar definiert sind und dadurch von jedem verstanden werden.

ZfS: In Indien werden mehr als hundert verschiedene Sprachen gesprochen. Das Land besteht aus 29 Bundesstaaten, jeder mit eigenem Parlament und eigener Regierung und es kommen noch sieben Unionsterritorien dazu. Außerdem leben die Inder unzählige Religionen. Wie gelingt es dem Land, die Balance zwischen den vielen gesellschaftlichen Gruppen zu halten?

Patel: Es gab früher nie das eine Indien, wie es sich uns heute darstellt. Vor der Unabhängigkeit 1947 war Indien eine Region, die viele unabhängige territoriale Fürstenhäuser beinhaltete, mal unbedeutend klein, mal größer und mächtiger als manches Königshaus Europas. Ich denke, im Streben nach Unabhängigkeit hat Indien sich in dem Willen genährt zu einer gemeinsamen nationalen Identität zu gehören. Indem Indien die vielen verschiedenen Bundesländer mit unterschiedlichen Religionen, politischen Interessen und unterschiedlichen Gesellschaften zulässt, ermöglicht das Land eine Vielfalt, mit der alle zufrieden sind.

ZfS: Am ZfS bieten Sie das Seminar „Interkulturelle Kompetenz: Indien“ an. Für wen könnte dieses Seminar interessant sein und warum? 

Patel: Interessant ist dieses Seminar für alle, die sich in der Ausbildung oder beruflich mit diesem Subkontinent befassen dürfen. Indien ist zu dem deutschen bzw. europäischen Kulturraum spürbar different, sodass eine Auseinandersetzung in einem Seminar empfehlenswert ist.

ZfS: Bitte vervollständigen Sie folgende Sätze:

Meine Seminare unterscheiden sich von anderen dadurch, dass… 

Patel: …sie inhaltlich abwechslungsreich durch Filmsequenzen, Lernaktivitäten, Fallbeispielen und kleine direkte Rollenspiele geprägt sind. Im Vordergrund steht die gelebte und erfahrene Praxis und weniger der rein theoretische Ansatz und Vergleich.

ZfS: Und: Ich bin zufrieden mit dem Seminar, wenn…

Patel: …ich viele Fragen erhalte, im Dialog gearbeitet wird und anschließend bei den Teilnehmern der Wunsch aufkommt, sich selbst näher mit Indien zu befassen.

ZfS: Vielen Dank für das Gespräch!

Kategorie(n): ,

Dieser Artikel wurde verfasst von Zentrum für Karriere und Kompetenzen.

Kommentar