Kunst, Musik und Sport fachfremd unterrichten? Die „Basisqualifikation“ als Best-Practice-Kurs

Veröffentlicht von am 18.10.2017, 13:00 | Kommentar

Im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt „SKILL“ (Strategien zur Kompetenzentwicklung: Innovative Lehr- und Beratungskonzepte in der Lehrerbildung) an der Universität Passau entstehen neue vernetzte Lehr-Lern-Formate für eine innovative Lehrerbildung. Das Teilprojekt Kunst Musik Sport entwickelt dabei ein fächerverbindendes Format im Rahmen der sogenannten Basisqualifikationen. Hier sollen die Studierenden vor allem in ihren nicht studierten Didaktikfächern für die zukünftige Unterrichtspraxis als Klassenlehrkraft gestärkt und motiviert werden. Dabei wird das Potenzial fächerübergreifender Zusammenhänge im musikalisch-künstlerisch-bewegungsorientierten Bereich herausgearbeitet und anwendungsorientiert erprobt.

„Wo bin ich denn hier gelandet?“

Wer schon einmal donnerstags um 8 Uhr morgens einen Blick in die Sporthalle der Universität geworfen hat, hat sich insgeheim vielleicht gefragt: „Wo bin ich denn hier gelandet?“ Studierende bewegen sich stützhoppelnd fort und tragen kleine Wettbewerbe um die größte Anzahl an gesammelten Bohnensäckchen aus. Nächste Szene: Zu den Klängen von Camille Saint-Saëns Hühner und Hähne aus der Orchestersuite Karneval der Tiere springt ein Student wie ein krähender Hahn vom aufgebauten Kasten mit Freude in den aus einer Weichbodenmatte bestehenden ‚Misthaufen‘.

Im künstlerischen Atelier wird indes gekleistert, frottagiert, gezeichnet oder auf den Spuren Klimts & Co. das eigene malerische Glück gesucht beziehungsweise mit Hilfe eines Bilddiktats hoffentlich auch gefunden.

Im Musiktrakt im Nikolakloster tönt es mal laut und mal leise, mal im Rahmen einer Einsinggeschichte wie eine Feuerwehrsirene, mal begleitet ein harmonisches Orff-Orchester ein Kinderlied, mal stampfen und tanzen die Füße zum Jiffy Mixer (einem Volkstanz aus den USA). Mit den bunten Plastikröhren kann man Musik machen? So manche Übung kostet durchaus Überwindung, weshalb die Studierenden die geschützte Seminaratmosphäre sehr schätzen.

Die Basisqualifikation Kunst Musik SportImageplakat des SKILL-Teilprojekts KuMuSp

Universitärer Alltag für Studierende im Grund- und Mittelschullehramt

Um die Einstiegsfrage zu beantworten: Wir befinden uns in der Universität, und diese Elemente sind seit einigen Jahren Pflicht in der Grundschullehramts- und zum Teil auch in der Mittelschullehramtsausbildung. Die Lehramtsprüfungsordnung sieht seit dem Wintersemester 2008/2009 für die Zulassung zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Grundschulen den Nachweis von Basisqualifikationen in den Fächern Kunst, Musik und Sport vor. Angehende Mittelschullehrkräfte müssen einen Nachweis von Basisqualifikationen im Fach Sport erbringen.

Anforderungen an die zukünftigen Lehrkräfte oder: Was sind Basisqualifikationen?

Basisqualifikationen sind grundlegende Fähigkeiten in Fächern, die Studierende eigentlich nicht in ihren Fächerkanon gewählt haben. Vor allem in der Grund- und Mittelschule sind Klassenlehrkräfte gefordert, die alle Fächer ihrer Schulart vielseitig unterrichten können. Die universitäre Ausbildung möchte durch die Einführung dieser Kurse der Tatsache Rechnung tragen, dass angehende Lehrkräfte bereits während des Referendariats auch Fächer unterrichten müssen, die sie nicht studiert haben. Auf diese Weise sollen Lehrende gestärkt und motiviert werden, sich auch fachfremd freudvoll und selbstbewusst an den Unterricht zu wagen.

Lernen, das Spaß macht – und Lehre, die zum Mitmachen anregt

Kinder beim Sportunterricht mit Musik (Foto: Colourbox)Die Basisqualifikationen sind in allen drei Fächern Kunst, Musik und Sport so angelegt, dass Studierende konkrete Unterrichtsszenarien, Methoden und spielerische Möglichkeiten kennenlernen, selbst erproben und entwickeln. Die Kurse sind praxis- und handlungsorientiert ‚zum Mitmachen‘ gestaltet, damit Studierende sich einerseits in die Perspektive der lernenden Schulkinder einfühlen können und andererseits ihre eigenen Kompetenzen in der Rolle als Lehrkraft erweitern und Ideen für die eigene Planung und Umsetzung von Unterricht entwickeln können. Vor allem in den Fächern Kunst, Musik und Sport wird an der Universität Passau sehr spielerisch und mit Hilfe von Geschichten gearbeitet. Lernen darf Freude machen! Aus diesem Grund wird in den Kursen der Basisqualifikationen bewusst auf Notengebung verzichtet.

Bayern als Vorreiter – SKILL als Innovationsmotor

Grund- und Mittelschullehramt als Herausforderung

Bayernweit wird die Basisqualifikation an den Universitäten inhaltlich und organisatorisch sehr unterschiedlich gehandhabt. Bemerkenswert ist, dass Bayern bundesweit das einzige Bundesland ist, in dem angehende Lehrkräfte überhaupt schon während des Studiums auf das Unterrichten nicht studierter Fächer vorbereitet werden. Umfang, Anforderungen und Prüfungsformat unterscheiden sich. Hier wird auf vielfältige Weise daran geforscht, welche Umsetzungsvariante der Basisqualifikation die besten Lehrkräfte von morgen hervorbringt. In diesem Feld bewegt sich auch die Universität Passau mit ihrem Projekt SKILL der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung„.

Erprobung neuer Lehrformate

Das Teilprojekt Kunst Musik Sport möchte an die bestehenden, praxisorientierten Basisqualifikationen anknüpfen und sie um den fächerübergreifenden Aspekt erweitern. Insbesondere die musischen Fächer bieten hier hervorragende Projekt-Möglichkeiten (z.B. Musik- und Bewegungstheater, Schattenspiel, Tanz, Malen zur Musik etc.), die auch für die Schulpraxis sinnvoll sind und das Schulleben bereichern. Um fachliche Ressourcen von Lehrpersonen aus unterschiedlichen Disziplinen zu nutzen, bietet sich hier die kollegiale Zusammenarbeit im Team-Teaching-Verfahren an. Sowohl in der Schule als auch an der Universität entstehen derzeit Projektideen, bei denen Lehrende und Studierende ihre Ressourcen miteinander teilen, voneinander und miteinander lernen. Diese Form der Zusammenarbeit kann insbesondere fachfremd unterrichtende Lehrkräfte stärken. Was einige Schulen aus Überzeugung bereits umsetzen, steckt an der Universität noch in den Kinderschuhen. Die längerfristige Zusammenarbeit unterschiedlicher Fach-Dozierenden in einem gemeinsamen Projekt-Seminar ist keine Selbstverständlichkeit, und häufig eine organisatorische und systemische Herausforderung.

Angebote im Wintersemester 2017/2018

Konkret soll dieses multiprofessionelle Lehrpotenzial auch an der Universität Passau durch fächerverbindendes Team-Teaching umgesetzt werden, indem Lehrende der Bereiche Kunst, Musik und Sport zusammenarbeiten. In einer gemeinsamen Projektidee sollen sie ihr jeweiliges Fach einbringen und können zugleich durch den Austausch mit Kollegen die eigenen Kompetenzen in fremden Fächern erweitern. Für ein erstes Modellseminar ist unter anderem die musik- und bewegungsorientierte sowie künstlerisch-szenische Auseinandersetzung mit Bilderbüchern angedacht. Das Teilprojekt bietet im Wintersemester 2017/2018 mehrere Workshops im Rahmen der Lernwerkstatt Musik an.

Details können Sie dem Flyer zu den Workshops entnehmen.

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Dieser Artikel wurde verfasst von SKILL.

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