Helferinitiative „Passau räumt auf“

Veröffentlicht von am 12.07.2013, 15:42 | Kommentar

Nikolakloster überflutetDas sommerliche Wetter lässt kaum vermuten, dass Passau erst vor wenigen Wochen von einer Natur- und Umweltkatastrophe stark getroffen wurde. Wer an der neu bepflanzten Innpromenade entlang flaniert, erkennt das Ausmaß der Zerstörung erst auf den zweiten Blick: Wasserstreifen an Fassaden, leer stehende Erdgeschosse und surrende Bautrockner erinnern an Dauerregen und darauffolgende Wassermassen.

Die Flutkatastrophe hat Passau verändert. Auch wenn die Universität vergleichsweise geringe Schäden zu beklagen hat, so waren sich viele Universitätsangehörige ihrer Verantwortung für Stadt und Bevölkerung bewusst. Eine von Studierenden und Mitarbeitern ins Leben gerufene Helferinitiative mobilisierte in kürzester Zeit tausende zivile Helfer. Unbürokratisch und schnell konnte Hilfe geleistet werden, die zu einem unerwarteten Maß an Verbundenheit zwischen Stadt und Universität führte.

Noch bevor die Pegel von Inn und Donau ihren Höchststand erreichten, gründete sich ein Team aus Studierenden- und Mitarbeitervertretung, um mögliche Hilfsmaßnahmen zu besprechen und zu koordinieren. Kurzerhand wurde ein Web-Formular aufgesetzt, in das man Name, Telefonnummer und Emailadresse eingeben konnte, um sich als freiwilliger Helfer zur Verfügung zu stellen. Noch am gleichen Abend, wenige Stunden nach Veröffentlichung, hatten sich über 700 Freiwillige gemeldet.

überschwemmtes Passau

Am darauffolgenden Morgen, noch bevor die Aufräumarbeiten überhaupt begonnen hatten, bot bereits eine unüberschaubare Menge von anfangs primär Studierenden ihre tatkräftige Unterstützung an. Kurzerhand wurde sich mit den Hausmeistern der Universität abgesprochen, wo aktuell schon helfende Hände benötigt würden, danach wurde die Stadt kontaktiert, um auch dort Einsatzstellen zu erfahren. Von da an verselbstständigte sich die ursprünglich nur als Kontaktdaten-Vermittlung geplante Initiative aufgrund der unerwartet hohen Hilfsbereitschaft und des Tatendrangs der Freiwilligen. Es wurde eine Facebook-Seite mit dem Titel “Passau räumt auf” erstellt, die der besseren Koordination diente und die Kommunikation zwischen allen Beteiligten vereinfachte.

Passau räumt aufAnderthalb Tage nach dem ersten Treffen der Initiatoren wurde die Aktion “Passau räumt auf” als offizielle Anlaufstelle für Freiwillige von der Stadt Passau anerkannt – kurz darauf war es der größte Umschlagplatz für zivile Helfer und alles was dazu gehört. Die Arbeit erfolgte in enger Kooperation mit der Stadt und dem City Marketing Passau. In morgendlichen Status-Meetings wurden die Einsatzorte und Pläne für den jeweiligen Tag besprochen, am späten Abend immer ein Fazit gezogen und der nächste Tag geplant. Die Anzahl der registrierten Helfer hatte sich inzwischen mehr als verdoppelt.

Das Büro der Fachschaft Philo wurde zur Helferzentrale und der Vorraum in ein Lager für Essen, Trinken und Arbeitsmaterial aller Art umfunktioniert. Während zu Beginn Werkzeug vor allem von Helfern mitgebracht wurde, lieferten im Laufe der Tage immer mehr umliegende Geschäfte und Unternehmen notwendige Ausrüstung. Sobald Müllbeutel, Pflaster oder Verpflegung benötigt wurden, schrieb das Team eine kurze Nachricht auf Facebook.

Die Spenden von Einzelhändlern und Privatpersonen kamen daraufhin innerhalb so kurzer Zeit, dass einige Facebook-Posts nach einer halben Stunde bereits wieder gelöscht wurden, weil die gewünschten Dinge bereits en masse eingetroffen waren.

SpendenlieferungDie Helferinitiative bekam schlussendlich sogar Besuch aus München: Dr. Wolfgang Heubisch, Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, besuchte die Helferzentrale und machte sich ein Bild von der Initiative. Er erkundigte sich, inwiefern er helfen könne und veranlasste eine Lieferung von 500 Paar Handschuhen, 500 Staubmasken und 100 Paar Gummistiefeln am folgenden Morgen.

Regionale und überregionale Medien wurden auf die Helferinitiative aufmerksam. Unter anderem berichtete das ZDF im heute hournal und die Deutsche Welle auf Deutsch und Englisch in ausführlichen Videobeiträgen. Die Initiatoren bewiesen, dass unbürokratische Hilfe auch von unausgebildetetem Personal mit der richtigen Medienkompetenz extrem effektiv ist.

Einige Medien berichteten zwar ahnungslos von unprofessionellen Helfern, die den professionellen Einsatzkräften im Weg stünden, dies konnte man am Ort des Geschehens allerdings nirgendwo beobachten. Vielmehr sprachen lokale Medien von “Nächstenliebe“ und einem “beispiellosen Akt von Solidarität”. Eine Autorin der Süddeutschen verwies passenderweise darauf, dass durch erfolgreiche Hilfsaktionen wie Passau räumt auf Facebook seine Bezeichnung als ‘soziales Netzwerk’ nun endlich einmal verdient hat.

Die Schäden der Flutkatastrophe sind immens und kaum in Worte zu fassen. Oberbürgermeister Jürgen Dupper schätzt den Gesamtschaden auf über 100 Millionen Euro.  Selbst die Uni Passau erlitt Schäden in Millionenhöhe. Nach außen besonders sichtbar ist die zerstörte Innwiese – einer der beliebtesten Treffpunkte zum Grillen an milden Sommerabenden.  Glücklicherweise bieten die zahlreichen Benefizveranstaltungen wie Science Slam und OpenAir-Konzerte ein buntes Alternativprogramm mit dem positiven Nebeneffekt, die Geschädigten der Flut zu unterstützen.

zerstörte InnwieseDie beschädigte Innwiese ist auch Grund für die Absage der JuniWiesn in ihrer gewohnten Form. Unter dem Leitmotiv Angehörige der Uni und Bewohner der Stadt näher zueinander zu bringen, wurde die JuniWiesn vor zwei Jahren ins Leben gerufen. Beide Gruppen – welche sich oftmals mit Unverständnis und Vorurteilen gegenüber stehen – haben in Folge der Aufräumarbeiten und im speziellen der Initiative Passau räumt auf eine beispiellose Solidarität füreinander empfunden und erfahren. In Anbetracht des starken Gemeinschaftsgefühls kann auf die JuniWiesn in üblicher Form in diesem Semester guten Gewissens verzichtet werden.

Es bleibt zu hoffen, dass die gelebte Solidarität und Toleranz beiderseits anhält. Zwar war das Hochwasser ein unvergleichbar einschneidendes Erlebnis, jedoch könnten mit zunehmender Normalität auch alte Gewohnheiten und Ansichten zurückkehren. Die vielen neu gewonnenen Freundschaften und Erfahrungen sollten dem entgegenwirken.

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