ʺTown Hall Meetingʺ mit US-Botschafter John B. Emerson

Veröffentlicht von am 17.12.2014, 12:03 | Kommentar

Am 8. Dezember nutzte der Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika in Deutschland John B. Emerson seinen ersten offiziellen Besuch in Passau, um sich mit Studierenden sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern zu treffen. Bei einem ʺTown Hall Meetingʺ im größten Hörsaal der Universität stellte sich der höchste Repräsentant der Vereinigten Staaten in Deutschland den Fragen der rund 700 Zuhörerinnen und Zuhörer.

US-Botschafter John B. Emerson stellt sich beim ʺTown Hall Meetingʺ im Audimax der Universität Passau den Fragen der rund 700 Anwesenden.

US-Botschafter John B. Emerson stellt sich beim ʺTown Hall Meetingʺ im Audimax der Universität Passau den Fragen der rund 700 Anwesenden.

Das „Town Hall Meetingʺ ist eine Form der Bürgerbeteiligung, die in den Vereinigten Staaten eine lange und erfolgreiche Tradition hat. „Es handelt sich hierbei um ein öffentliches Treffen, bei dem sich Politiker den Bürgern zur Befragung stellen“, erklärt Mitorganisator Michael Oswald vom Lehrstuhl für Politikwissenschaft. Die Einführung in den Abend übernahmen Prof. Dr. Ursula Reutner, Vizepräsidentin für Internationale Beziehungen, und Prof. Dr. Winand Gellner, Inhaber des Lehrstuhls für Politikwissenschaft der Universität Passau, der den US-Botschafter eingeladen hat. Die Veranstaltung wurde vom Lehrstuhl in Zusammenarbeit mit GoverNET, der Hochschulgruppe der Studiengänge B.A./M.A. „Governance and Public – Staatswissenschaften“, als Teil der Veranstaltungsreihe „Passauer Salon“ angeboten.

Ukraine, Russland, ISIL, Deutschland, NSA, 9/11

Zu Beginn seines Vortrages eröffnete John B. Emerson mehrere Problemfelder, die er anschließend mit den Anwesenden debattierte. Dabei machte er die transatlantischen Beziehungen zum Dreh- und Angelpunkt seiner Ausführungen. Insgesamt nahm sich der US-Botschafter rund zwei Stunden Zeit, um über die gegenwärtigen Entwicklungen und Perspektiven der deutsch-amerikanischen Partnerschaft auf Ebene der internationalen Politik zu sprechen.

Russland und die Krim: ein erbitterter Kampf um Stolz

Mit Blick auf den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine nahm Emerson kein Blatt vor den Mund: Den Griff nach der Krim wertete er als „erbitterten Kampf um nationalen Stolz“; Russland habe internationales Recht gebrochen, als sie bewaffnete Soldaten ohne Hoheitsabzeichen in die Ukraine schickten; es handele sich hierbei um eine völkerrechtswidrige Verletzung der territorialen Integrität eines souveränen Staates und mithin um die Gefährdung der europäischen Nachkriegsordnung, die dem Kontinent seit über einem halben Jahrhundert Frieden beschert. In diesem Zusammenhang betonte der US-Botschafter insbesondere die mutmaßlichen systemischen Defizite der Russischen Föderation: „Oder glaubt ihr wirklich, der russische Botschafter würde sich hier hinstellen und solche Fragen beantworten?“

„Ja, in den Irak zu gehen, war ein Fehler!“

Emerson nimmt sich rund zwei Stunden Zeit, um mit Studierenden sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern über aktuelle Frage der internationalen Politik zu debattieren.

Emerson nimmt sich rund zwei Stunden Zeit, um mit Studierenden sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern über aktuelle Frage der internationalen Politik zu debattieren.

Die Diskussion um die Bedeutung der Einhaltung des Völkerrechts nutzte ein Student, um seine Kritik an den jüngsten militärischen Auslandseinsätzen der Vereinigten Staaten vorzubringen. Er bezog sich dabei ausdrücklich auf die völkerrechtswidrige Invasion des Iraks durch US-amerikanische Streitkräfte im März 2003: „Vor diesem Hintergrund fällt es mir schwer, nachzuvollziehen, wie die Vereinigten Staaten glaubwürdig von der Einhaltung internationalen Rechts sprechen können“, sagte der Student aus Ägypten. “Hat das dadurch entstandene Machtvakuum im Irak nicht erst maßgeblich zum Aufstieg von ISIL beigetragen?“ Der US-Diplomat antwortete in aller Deutlichkeit: „Ja, in den Irak zu gehen, war ein Fehler!“ Im Kampf gegen ISIL verfolge die US-Regierung jedoch eine langfristige Strategie: „Um dieses fundamentale Problem zu lösen, braucht es mehr humanitäre Hilfe. Es geht um soziale und wirtschaftliche Entwicklung – um Investitionen in die Zivilgesellschaft.“ Folglich werde man nicht mehr nur auf militärisches Engagement setzen, vielmehr gehe es darum, den Menschen eine Perspektive aufzuzeigen, um zu verhindern, dass diese sich radikalisieren.

Deutschland: vom Nutznießer zum Garanten internationaler Sicherheit

Für Emerson bildete die deutsch-amerikanische Partnerschaft den Kern seines Vortrages. Der US-Botschafter hob die große Bedeutung der transatlantischen Beziehungen hervor, beschwor die gemeinsamen Werte Deutschlands und der USA und lobte den Wandel des deutschen Selbstverständnisses vom Nutznießer zu einem Garanten internationaler Sicherheit und Ordnung. Dieser Wandel zeige sich besonders deutlich an der Beteiligung Deutschlands im Kampf gegen ISIL und Ebola. „Wir leben heute in einer Welt, in der man Verantwortung teilen muss“, stellte Emerson dazu fest. Ergo können die USA die moralische Führungsrolle in der internationalen Staatengemeinschaft nicht mehr alleine tragen.

Der 11. September, Jesus Christus und die NSA

Angesichts der jüngsten Enthüllungen über die Spionagepraktiken des US-Geheimdienstes NSA äußerte eine Studentin ebenfalls Bedenken an der Gültigkeit des moralischen Führungsanspruches der Vereinigten Staaten. Emerson entgegnete, dass die Vorstellung der moralischen Reinheit in der Welt von heute einer Illusion gleichkomme: „In der Geschichte gab es nur einen moralischen Führer, der keine Fehler gemacht hat“, sagte der höchste Repräsentant der Vereinigten Staaten in Deutschland. „Aber dieser Typ ist vor über 2000 Jahren gestorben.“
Emerson ging noch einen Schritt weiter, als er den anwesenden Zuhörerinnen und Zuhörern die Terroranschläge vom 11. September 2001 in Erinnerung rief. Die besondere Tragik dieses Tages: die Anschläge hätten verhindert werden können. „Wie der Bericht der Untersuchungskommission gezeigt hat, gab es entsprechende Hinweise – sie wurden aber nicht miteinander verknüpft“, so Emerson. Beispielsweise seien Telefongespräche, die Mohammed Atta, einer der Attentäter vom 11. September, von seinem Studienort Hamburg aus mit Osama Bin Laden geführt hat, nicht rechtzeitig zur Kenntnis genommen worden. Die US-Geheimdienste seien in der Folge unter enormen Druck geraten, weil sie die Anschläge nicht verhindert hatten. Die USA haben daraus gelernt, die Kommunikation innerhalb der Geheimdienste um ein Vielfaches zu intensivieren und sich die neuesten technologischen Entwicklungen dienstbar zu machen.

US-Botschafter: John B. Emerson

John Bonnell Emerson (Jahrgang 1954) hat Philosophie am Hamilton College in den USA studiert. Anschließend absolvierte er einen Juris Doctor an der University of Chicago. Seit August 2013 ist Emerson Botschafter der Vereinigten Staaten in der Bundesrepublik Deutschland. Zuvor war er von 1997 bis Juli 2013 Präsident von Capital Group Private Client Services. Capital Group ist eine der größten Investmentgesellschaften und verwaltet Vermögenswerte in Höhe von mehr als einer Billion US-Dollar. Von 1993 bis 1997 war Emerson hochrangiger Mitarbeiter im Stab von Präsident Clinton. Er war stellvertretender Leiter des Personalbüros des Präsidenten und anschließend stellvertretender Leiter des Büros für behördenübergreifende Angelegenheiten. In dieser Funktion war er der Verbindungsbeamte des Präsidenten zu den Gouverneuren. Emerson war zudem Koordinator der Wirtschaftskonferenz des Clinton-Gore-Übergangsteams. Unter Präsident Obama ist Emerson seit 2010 Mitglied des Beratungskomitees des Präsidenten für Handelspolitik.

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Dieser Artikel wurde verfasst von Uni Passau Kommunikation.

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